1895 -
Leipzig
: Siegismund u. Volkening
- Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
44
er in seinem Garten ans nnb ab. Es war gerade Frühling und
blauer Himmel und heller Sonnenschein, und die Lilien und die Rosen
blühten im ganzen Garten. Da sprach er in seinem Herzen: „Schauet
die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen, sie arbeiten nicht, auch
spinnen sie nicht. Ich sage ench aber, daß anch Salomo in aller
seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist, als derselben eins."
Daranf fing er an, ans Grund der Seele zu beten. Und als er ans
dem Garten ins Haus gegangen war, fand er eine nene Gabe, und
eine Stunde daranf kam noch eine andere hinzu. Da hatte die Be-
drängnis ein Ende. So antwortete Gott mit seiner Hilfe ans den
betenden Glauben und ließ nicht ab, bis der Ban unter Dach stand
und der letzte Nagel in die Wand geschlagen war.
Gegen das Lebensende Frauckes waren in seiner Anstalt 134
Waisenkinder und 2207 andere Kinder, die von 175 Lehrern unter-
richtet und an Leib und Seele gepflegt wurden; und 255 arme
Studenten setzten sich daselbst alle Mittage umsonst an den Tisch.
Er starb unter Gebet und Gesang der Seinen, die um sein Bett her
standen, am 8. Juni 1727.
Wenn du nach Halle kommst und fragst nach der Franckeschen
Waisenanstalt, so zeigt man dir eine lange Häuserreihe, die beinahe
eine Straße einnimmt. In derselbigen wird seit beinahe zweihundert
Jahren gelehrt und gelernt, erzogen und gerettet bis aus diesen Tag.
Und über dem Hauptthore predigt der Prophet Jesaia diesen
Spruch: „Die ans den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie
auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt
werden, daß sie wandeln und nicht müde werden."
Huusrückcr Chronist.
26. Ernst Moritz Arndts Kinderjahre.
Zn Anfange des 18. Jahrhunderts kam ein schwedischer Unter-
offizier, Namens Arndt oder zu deutsch Adler, nach der Insel Rügen,
wo er in ein Banernwesen der Herrschaft Putbns einheiratete.
Sein Sohn war unterthäniger Schäfer zu Putbus und Darnsband,
brachte es aber zu einem leidlichen Wohlstände und hatte viele Kin-
der. Das vorletzte derselben war der Vater unsers Ernst Moritz
und hieß Ludwig Nikolaus Arndt. Der ward ein rüstiger, brauch-
barer Bursche und der Liebling seines Herrn, des Grafen Putbns.
Er begleitete denselben mehrere Jahre hindurch auf Reisen, und zur
Zeit des siebenjährigen Krieges, als die Schweden, unter deren
Herrschaft damals noch Rügen stand, ein Heer gegen den alten Fritz
schickten, diente er ihm als treuer Bote bei allerlei mißlichen Sen-
dungen. Dadurch kam Ludwig Nikolaus Arndt mit vornehmen
Leuten zusammen und eignete sich allmählich selber die Art eines
gebildeten Mannes an. Nach dem Kriege ließ ihn der Gras zur
Belohnung seiner treuen Dienste frei und machte ihn zuletzt sogar