1895 -
Leipzig
: Siegismund u. Volkening
- Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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Rührend ist es zu sehen, wie sie bei einer herannahenden Gefahr sich
ganz vergessen und nur an die Jungen denken. Diese werden zuerst in
Sicherheit gebracht. Hunderte eilen sogleich herbei, um sie über Berg
und Thal zu schleppen. Nicht selten geschieht es, dass eine Ameise, die
durch den Feind in zwei Teile zerstückelt wurde, mit der Puppe zwischen
den Kiefern noch weiter rennt, während ihr der Hinterleib fehlt.
Karl Gude.
115. Ein vaterländischer Löwe.
Wenn du im Sommer über eine sandige Ebene wanderst, kannst du
ein geflügeltes Insekt bemerken, das ungefähr 2,5 cm lang ist. Es hat
vier glänzende Flügel, die dünn wie Florgrund und durchsichtig wie
Glas sind. Auf diesen Flügeln bemerkst du kleine braune Punkte. An
den Seiten des Kopfes stehen zwei grosse Augen; an seiner Stirn trägt
das Tier keulenförmige Fühlhörner. Die Farbe des Leibes ist grau.
Dieses Tier führt den Namen Afterjungfer. Seine kleinen Eier legt
es in den Sand und bekümmert sich nicht wieder um dieselben; die Sonne
brütet sie aus. Jedes Ei wird ein Löwe, freilich ein winzig kleiner,
aber ein räuberischer und gefräfsiger, so grausam, dass er sogar seines-
gleichen auffrisst. — Du brauchst dich aber nicht vor ihm zu fürchten
und kannst ihn getrost fangen.
Wenn du auf sandigen Ebenen, auch an sandigen Waldrändern
kleine Trichter im Sandboden bemerkst, so fahre mit deiner Hand so tief
du kannst unter einen solchen Trichter, lass dann den Sand recht vor-
sichtig durch die Finger laufen, und — du hast einen Löwen gefangen.
Der Löwe sieht freilich mehr einer kleinen Spinne ähnlich, aber es ist
dennoch ein Löwe. Dieses kleine behaarte Tier hat einen sehr beweg-
lichen Hals, den es einziehen und ausstrecken kann, und der ihm treff-
liche Dienste leistet. Das Tier hat zwei hornartige Fresszangen, mit
denen es seinen Raub packt und aussaugt. Wie aber gelangt es zu
seinem Raube, da es sich nur sehr langsam bewegen kann? — Es baut
Fallen. Jeder kleine Sandtrichter ist eine Falle. In der Mitte des
Trichters befindet sich ein kleines Loch; unter diesem lauert der Löwe.
Der Bau des Trichters kostet unserem Löwen viele Mühe. Um den Sand
herauszuschaffen, muss er seinen breiten Kopf damit beladen und mit dem
beweglichen Halse den Sand hinausschnellen. Den Sand ladet er immer
nur mit einem Fusse auf den Kopf; wenn ein Fuss müde ist, kommt der
andere an die Reihe. — Auf dem Grunde seines Trichters gräbt er sich
nun in Sand so tief ein, dass nur der Kopf mit den Fresszangen sichtbar
bleibt. — Suche dir einen Trichter, wie ich ihn dir beschrieben habe,
und bleibe in der Nähe ruhig stehen. Sieh! da kommt eine fleifsige
Ameise; in ihrem Geschäftseifer denkt sie an keine Gefahr. Sie nähert
sich dem Rande des Trichters; der Sand unter ihr rutscht, und wie sie
sich auch sträuben mag, sie. gleitet hinab. Doch jetzt! Sie hat wieder
festen Fuss gefasst, sie klimmt aufwärts. Aber ach! der kleine Krater