1876 -
Königsberg
: Bon
- Autor: Preuß, August Eduard, Vetter, J. A.
- Auflagennummer (WdK): 100
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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reiche See'n beleben einigermaßen das einförmige Flachland. Zwei Drittel der
Bevölkerung sind Polen und katholisch, meist ein Drittel evangelisch und Deutsch,
und unter der ganzen Bevölkerung zerstreut leben an 80,000 Juden als Händler
und Gastwirthe. Der Boden ist im Ganzen mittelmäßig fruchtbar, wird aber
immer sorgfältiger bebaut und gibt reichlich Getreide. Die bruchigen Niederungen
haben einen unschätzbaren Reichthum an Torf, der schon jetzt großartig ausgebeutet
wird; ausgedehnte Wiesenflächen befördern Schaf-, Pferde- und Rindviehzucht,
und Schweine werden heerdenweise in die benachbarten Provinzen ausgeführt.
In den großen Wäldern schreckt noch der Wolf. — Die Gewerbthätigkeit und das
Fabrikwesen zeigen sich nur hie und da in rührigem Fortschritt. Man findet
Brau- und Brennereien, Glashütten, einige Hammerwerke und Leinweberei. —
Bei Wapno, 4 Meilen von Rakel, ist ein Gypslager.
Die starke Festung Posen mit 51,000 Einw. ist die Hauptstadt der Provinz,
Sitz der ersten Provinzialbehördcn und des Erzbischofs von Posen und Gnesen.
Bon 145 meist kleinen und unbedeutenden Städten find zu merken: Lissa und
Ravitsch mit Tuchfabriken, Bromberg mit 23,000 Einwohnern; bei der gün-
stigen Lage des Orts an der Brahe und dem Kanal erfreut sich die Stadt durch
ihre handelsbefliffenen Bewohner eines zunehmenden Wohlstandes. Fraustadt
mit Getreidehandel, — Gnesen mit altem Dom.
65. Schlesien.
Die Provinz Schlesien besteht zum großen Theile, besonders ans der linken
Oderseite aus Gebirgs- und Hügelland. Das Hauptgebirge sind die schlesischen
Sudeten. Es erstreckt sich von dem Fuße der Karpathen und von den Quellen
der Oder in nordwestlicher Richtung 30 Meilen weit bis zu den Quellen der
lausitzer Neiße, bildet nicht blos die schlesische Gebirgslandschaft, sondern erfüllt auch
die benachbarten Theile Mährens und Böhmens und sendet Zweige bis tief in das
Land hinein. Die niedern Kämme nebst Abhängen tragen dichte Waldungen aus
Nadel- und Laubholz oder sind in Ackerland umgeschaffen; höher hinaus findet
man neben kahlen oder von Knieholz bedeckten Strecken ausgedehnte Wiesen mit
würzigem Grase für zahlreiche Biehheerden. In den Sudeten unterscheidet man
von Südost her nach Nordwest hin als einzelne Glieder: das schlesisch-m ährische
Gebirge, das Glatzer-, das Riesengebirge und die Lausitzer S udeten.
Das Glatzer Gebirge umgürtet die Grafschaft Glatz. Es ist dieselbe
eine äußerst fruchtbare, durch Naturschönheiten ausgezeichnete Kessellandschaft von
etwa 30 Quadratmeilen, deren Mitte eine weite Ebene darstellt, in welcher blühen-
der Ackerbau und ergiebige Viehzucht getrieben wird, während die Gebirgsstriche
Garn und Leinewand, leinene und baumwollene Waaren, Tuche, und an Natur-
erzeugnissen Steinkohlen, Sandsteine und Kalk liefern. Kunststraßen führen auch
über die reichbewaldeten Gebirge. Alle fließenden Gewässer vereinigen sich in der
Neiße, die am großen Schneeberge ihre Quelle hat.
Ein gebirgiges Hochland verbindet das Glatzer Gebirge mit dem Hochwald-
und Riesengebirge. Aus dem angrenzenden Katzbachgebirge kommen die rei-
ßende Katzbach und die wüthende Neiße, auf deren Gefilden im Jahre 1813
die denkwürdige Schlacht an der Katzbach geschlagen wurde. Der Bober trennt
das Hochwaldsgebirge vom Riesengebirge und eilt über Landshut, Hirschberg und
Bunzlau der Oder zu.
66. Das Riesengebirge
macht den höchsten Theil der Sudeten ans, da die Höhe seiner Kämme 4000', die
der Riesen- oder Schneekoppe 5000' beträgt.
Sämmtliche Abhänge des Gebirges sind dicht bewaldet; aber über 3600'
Höhe gedeihen nur Zwergkiefern, Knieholz, Gräser, Alpenkräuter, Flechten, das
isländische Moos und wohlriechendes Beilchenmoos; manche Felsgipfel sind ganz