1876 -
Königsberg
: Bon
- Autor: Preuß, August Eduard, Vetter, J. A.
- Auflagennummer (WdK): 100
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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hinter den Römern her und fiel Plötzlich deren Nachhut an. Noch ahnte Varus
nicht den ganzen Umfang der Gefahr und hielt für Uebermuth Einzelner, was
Plan und gute Vorsicht war. Es kamen und schwanden die Deutschen wie
Schatten der Nacht. Jetzt hier, jetzt dort, fiel ein Römer im Engpässe. Da befahl
er, geschlossenen Marsch zu machen, doch war's in der Wildniss unmöglich. Endlich
neigte sich der Tag und er gebot dem Heere Halt und sich zu verschanzen, so gut
es ginge, und zu verbrennen, was vom Gepäck überflüssig sei und den Zug hin-
dere. Am andern Tage rückte das Heer, immer von Deutschen umschwärmt,
doch in besserer Ordnung, in der Ebene weiter, die sich an der Werra ausbreitet,
und kam in ein dichtbewaldetes, sumpfiges Thal, in der Gegend von Detmold,
wo die hohe Teutobnrg ragte. Da ward auf einmal jeder Busch lebendig und
Pfeile ohne Zahl flogen auf die Römer herab. Der Himmel wollte auch nicht
feiern und half den Deutschen mit Sturm und Regen. Von den Güssen unter-
wühlt, sank die Erde unter des Römers Füßen. Pfeil an Pfeil! Fall an Fall!
Schritt für Schritt kämpft der Feind um den Boden, auf dem er steht, um den
Weg, um jeden Baum , um jeden Stein, und kommt nicht eher zu Athem, als
bis die Nacht hereinbricht. Da lässt Varus abermals Lager schlagen, und er-
mattet sinken die Römer hin; in jedem Augenblicke scheucht der De u ts ch en Kriegs-
geheul sie aus der kurzen Nachtruhe empor. Als der dritte Tag sich lichtet, ent-
decken sie erst, wie licht es in ihren Reihen geworden. Mann an Mann geschlossen,
brechen sie auf und kommen auf's offene Land, das die Senne heißt. Da sahen
sie mit Grausen die ganze Macht aller Eidgenossen vor sich entfaltet. Ringsum
Deutsche! Nirgends ein Ausweg! Für alle Tapferkeit ist Nichts mehr feil, als der
Tod! Jauchzend stürzen nun die Deutschen in der verzweifelten Römer starre
Reihen! „Die Freiheit!" schallt's wie Donner des Himmels in der Römer Ohren.
Hermann selbst ist überall. Hier ordnet er als Feldherr die Schlacht und ruft:
„Drauf, Brüder drauf!" Dort kämpft er mit der Kraft von zehn Männern, Stirn
an Stirn, kein Eidgenosse, der nicht mit ihm um den Preis wetteifert. Des Feindes
Schaaren sind zersprengt, nur wenige wilde Haufen ragen noch aus dem Meere
der Schlacht empor. Jetzt wird die Flucht allgemein; doch wer sich retten will,
rennt in die Spieße Her Deutschen. Da fafft den Varus Verzweiflung, und um
sein Unglück nicht als Schmach überleben zu müssen, stürzte er sich in sein eigenes
Schwert. Nur wenige von dem großen Römerheere retten sich. Wer in Gefangen-
schaft kam, ward entweder zum Danke für die wiedererrungene Freiheit den Göttern
geopfert, oder folgte den Eidgenossen in ihre Gaue zu gemeinem Frohndienst.
4. Die Völkerwanderung; die Hunnenschlacht 451 n. Chr.
Um das Jahr 375 n. Chr. kam von Morgen her ein wildes Volk, die
Hunnen, Leute mit schwarzen, struppigen Haaren, schmutzig gelber Gesichtsfarbe,
schiefen Angen, breitschulterig und klein von Leibe, und so fürchterlich wild, als
sie hässlich von Ansehen waren. Von ihren Pferden waren sie unzertrennlich,
sie aßen, tranken und schliefen darauf. Wurzeln und rohes Fleisch waren ihre
Speise. Ihre schmutzigen Weiber und Kinder führten sie in Karren mit sich.
So jagten sie durch die Welt von Land zu Land, raubten, sengten und mordeten
und jagten die Völker vor sich her, wie ein Wolf die Heerde. Zuerst stießen sie
auf die Gothen. Ein Theil derselben, die Westgothen, floh in's römische
Reich, durchzog einige Zeit nachher das schöne Italien und ließ sich endlich in
Spanien und dem südlichen Theile des heutigen Frankreich nieder. Ein wilder
Haufe nach dem andern drang plündernd in Italien ein, das so manches Jahr-
hundert die ganze gebildete Welt beherrscht hatte, und die schwachen Kaiser konnten
es nicht hindern. Ja, am Ende setzten deutsche Völker — die Heruler und
Rugier — gar den letzten römischen Kaiser Romulus Augustulus ab und
machten ihren Fürsten Odoaker zum Könige von Rom. Der wollte aber nicht
einmal in der armen, fast ganz verwüsteten Stadt wohnen, so verachtet, so ver-