1876 -
Königsberg
: Bon
- Autor: Preuß, August Eduard, Vetter, J. A.
- Auflagennummer (WdK): 100
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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49. Belle Alliance.
(Der 18. Juni 1315.)
Der erste Jahrestag der Schlacht beileipzig war durchganz Deutsche
land mit nie erhörtem Jubel gefeiert,' auf tausend und aber taufend Bergen
und Höhen flammten Freudenfeuer, und Niemand Lachte an einen nahen Krieg.
Aber schon der Frühling des neuen Jahres weckte wieder die kriegerischen
Töne. Unerwartet verließ Napoleon Elba und landete in Frankreich. Ueberall
wurde er hier mit Jubel aufgenommen, und auch das Heer eilte zu seinen
Fahnen; am 20. Marz 1815 zog er in Paris ein. Da musiten die ver-
bündeten Fürsten wieder zu den Waffen greifen. Das Jahr Dreizehn wurde
neu in Fünfzehn. Bald standen vierheerschaaren der Preußen unter Blücher
kampfbereit in den Niederlanden; eben da hatten auch die Engländer unter
Wellington ihre Stellung. Mit einem glänzenden Heere kampfgeübter
Truppen drang Napoleon vor. Es nahten und drängten sich die Stunden
der großen Entscheidung. Zuerst griff Napoleon am 16. Juni die Preußen
an. Drei Dörfer bezeichneten die Stellung der Heere; Ligny war ihre Mitte.
Um drei Uhr Nachmittags begann die Schlacht. 200 Feuerschlünde waren
fünf Stunden lang gegen das Dorf gerichtet und der Kampf um so mörde-
rischer, als die gegen einander drängenden Masien Stirn gegen Stirn anein-
ander standen; da gab es keinen Stillstand, keine Ruhe zum freien Aufathmen,
und auch die heldenmüthigste Anstrengung gestattete nur das Vorrücken von
wenigen Schritten. Vergeblich war das Sehnen nach Unterstützung durch die
Engländer; auch die vierte preußische Heerschaar unter Bülow kam aus
ihrem Eilmärsche nicht mehr heran. Noch stand die Schlacht und nicht ohne
Hoffnung des Sieges. Da umgingen, von der Nacht begünstigt, feindliche
Schaaren aller Waffen das Dorf und griffen hinter demselben die auf den
Anhöhen stehenden Preußen im Rücken an. Nun wurde auch Ligny erobert,
und die Schlacht war verloren. —
An diesem Tage bestand der Feldmarschall große Gefahren. Beim An-
sturm feindlicher Reiter wurde sein Pferd durch einen Schuss verwundet.
„Nostitz, nun bin ich verloren!" rief der greise Feldherr seinem Adjutanten
zu, und in dem Augenblicke stürzte das Pferd zusammen, und Blücher lag
unter dem Drucke der Last betäubt darnieder. Nostitz stellte sich neben den
Feldherrn, entschlossen, sein Loos zu theilen. Die Reiter jagten in wildem
Getümmel vorüber, erst die Preußen, dann die verfolgenden Franzosen; diese,
wieder geworfen, sprengten abermals vorbei, ohne den Feldherrn wahrzunehmen.
Preußen kamen hinterher, halfen Blücher unter dem Pferde hervorziehen, und
er bestieg sogleich ein Dragonerpferd. Gottes Hand war mit ihm.
Napoleon hielt die Preußen für gänzlich geschlagen und gab den über»
müthigen Befehl, sie in den Rhein zu stürzen.
Am 17. Juni Abends war das preußische Heer bei Waver enger zusam-
mengezogen. Wellington hatte vier Stunden von Brüssel eine vortreff-
liche Stellung. Vor ihm auf einer Höhe lagen zwei Meierhöfe, die er in
Festungen umwandeln ließ, und im Rücken der Anhöhen, die er besetzt hielt,
war er durch einen Bergwald gedeckt. In dieser Stellung, schrieb Lord Wel-
lington, sei er Willens, die Schlacht anzunehmen, wenn Blücher ihn mit
zwei Heerhaufen unterstützen wolle. Es war Nacht, als man Blücher diese
Meldung brachte. Man weckte ihn. „Nicht mit zwei Heerhaufen, sondern mit