1876 -
Königsberg
: Bon
- Autor: Preuß, August Eduard, Vetter, J. A.
- Auflagennummer (WdK): 100
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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schien um die Feierabendzeit Ziethen mit seiner ganzen Reiterei unter den
Vortruppen seines Fußvolks, nahm den Franzosen das Dorf Papelotte und
verband die Kampflinien Bülow's und der Engländer. Gegen diese richtete
Napoleon nun den letzten furchtbarsten Stoß. 12 Bataillone seiner alten
Garde unter Ney drangen unaufhaltsam vor, und wie furchtbar auch das
englische Geschütz- und Gewehrfeuer ihre Reihen zerriss, sie schritten vorwärts
bis an den Höhenrand zum Kampfe Mann gegen Mann. In diesem dro-
benden Augenblicke eilte Ziethen herbei und schmetterte mit 24 Geschützen in
den Feind. Allseitigem Sturm erliegend, gerieth die Garde in Unordnung
und Flucht. Vier Batailloue ziehen sich geschlossen zurück, kommen in Las
Geschützfeuer Bülows, werden umzingelt, und man ruft ihnen zu, sich zu
ergeben: „Die Garde stirbt, sie ergiebt sich nicht!" schallt es aus
ihrer Mitte. Und die Garde starb. Das war das erhabenste Schaustück des
Blutfeldes. In Vierecken standen die gestorbenen Helden, die vordern Reihen
angelehnt an die hinter ihnen Gesunkenen, im Tode noch aufrecht. Das
Auge war erloschen, aber das Haupt im Schmucke der Bärenkappe noch
emporgerichtet.
Die Schlacht war entschieden, unser der Sieg, und die Siegesfeier über-
aus herrlich. Das Vorgehen der vereinigten Heere war allgemein: hundert
tausend Mann in einem weiten Bogen bewegten sich durch das Thal, und
mit ihnen wälzte sich in immer gleicher Macht das wogende Hurrah über
die Wahlstatt, als wollte es zum dauernden Siegesmal sich thürmen. Tau-
sende von Hörnern und Trompeten schmetterten ihr Vorwärts dazwischen
und die Trommeln lärmten den Sturmschritt. Dieses Andringen brachte in
die Franzosen allgemeines Entsetzen: „Rette wer sich kann!" hieß es,
und die wildeste Flucht trat ein.
Es begann schon zu dunkeln, als die beiden Feldherren, Wellington
und Blücher, durch „unmuthige Gunst" bei Belle-Alliance zusammen-
trafen, sich die Hände reichten und gegenseitig als Sieger begrüßten. Der
alte Heldengreis Blücher befahl, den letzten Hauch von Mann und Pferd
daran zu setzen, um den Feind nicht zum Stehen kommen zu kaffen. „Wir
haben gezeigt, wie man siegt, nun wollen wir auch zeigen, wie man verfolgen
muss," sagte Gneisenau und nahm das Werk in seine Hand. Der Mond
leuchtete dazu in völliger Klarheit. Der Schreck jagte dem Feinde noch vor
Genappe sein sämmtliches Geschütz ab; kaum rettete sich Napoleon, — Wa-
gen, Hut, Degen, Orden und Kleinodien zurücklasfend. — In Blüchers
Tagesbefehl an das Heer hieß es: „Empfanget meinen Dank, ihr unüber-
trefflichen Soldaten! So lange es Geschichte giebt, wird sie euer gedenken.
Auf euch ruht mit Sicherheit das Glück eures Königs und seines Hauses.
Nie wird Preußen untergehen, wenn eure Söhne und Enkel euch gleichen."
Napoleon dankte ab. Eine Freistätte suchend, fiel er in die Hände der
Engländer und starb auf dem Felseneilande St. Helena (am 4. Mai 1821).
Hahn. Varnhagen. Schmidt.
50. Blüchers Gedächtniss.
Ich hab'einen muthigen Reiter gekannt; Er ritt in den Schlachten wohl immer
Der wusste sein Ross zu regieren: vorauf!
Er schwang seine Klinge mit mächtiger „Hurrah!" soriefer, „frischauf, frisch auf!
Hand; Wir fechten für König und Vaterland!"
Er wusste die Schaaren zu führen. Den wüthigen Reiter, den hab'ich gekannt.