1872 -
Halle a/S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Keck, Heinrich, Meyn, Ludwig, Sach, August
- Hrsg.: Johansen, Christian
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
aufs Neue sie an sich zu fesseln. Eine halbe Million Krieger folgte seinem
Ruf. Als Feldherr aber und Staatsmann war er rücksichtslos und kannte kein
Erbarmen.
Seine wandernde Hofhaltung in der ungarischen Ebene war die größte,
bunteste und reichste jener Zeit. Häuplinge und Königskinder deutscher und sla-
vischer Stämme bildeten neben den Fürsten der Hunnen und der stammverwandten
Völker seinen Hofstaat. Unter der Leibwache, die im Ringe um den schön ge-
schnitzten Zaun seines Hofes lag, dienten Männer aus fast allen Völkern zwi-
schen Persien und den Pyrenäen; edle Gothenfürsten neigten ehrfurchtsvoll ihr
Haupt vor seinem Befehl; Königskinder aus Thüringen und fränkischen Landen
wurden als Geiseln an seinein Hofe erzogen neben Sprößlingen der Wander-
stämme an der Wolga und der tatarischen Ebene; unterworfene Völker der
Ostsee führten ihm Zobel- und Otternfelle aus dem Eise des Nordens zu; Ge
sandte aus Rom und Eoustantinopel harrten furchtsau: au: Hosthor, um seine
zornigen Befehle entgegenzunehmen oder ihm demüthig kostbare Geschenke zu
Füßen zu legen.
Nachdem er zuerst sich gegen Osten gewandt und Griechenland verwüstet
hatte, aber durch ein unermeßliches Lösegeld zum Abzüge bewogen war, zog er
im Jahre 451 durch Deutschland nach Gallien (beut heutigen Frankreich), in
dessen südlichem Theile inzwischen die Westgotheu nach gewaltigen Wanderungen
ein geordnetes Reich gegründet hatten. Deutschland ward auf diesem Durchzuge
der Hunnen furchtbar verwüstet, wie ein Heuschreckenschwarm verheerten sie alles
Land. Am Rheine warfen sich 10,000 Burgunder dem Weltstiirmer Attila
entgegen, aber vergeblich: in heldenmüthigen: Kampfe gingen sie ruhmvoll unter.
Nun aber vereinigten sich die Westgotheu und die Römer, um durch gemein-
same Anstrengung die Bildung des Abendlandes und das Christenthum ju
schützen. Der römische Feldherr Avtius und der Gothenkönig Theo dort ch
brachten ein gewaltiges Heer zusammen und trafen in den weiten Ebenen von
Ehalons an der Marne, wohin Attila sich gezogen hatte, um für seine zahl-
lose Reiterei Raum zu gewinnen, mit dein Feinde zusammen. Dort sammelten
sich die Völker des Morgenlandes und die Völker des Abendlandes und standen
sich gegenüber in heißer Erwartung des Kainpscs, der das Schicksal Europas
entscheiden sollte. Attila hatte die Uebermacht der Masse, der Einheit, und der
Feldherrugabe; aber auf der Seite der Abendländer stritt die Begeisterung für
alles Große der alten Welt, für das Christenthum, für die Freiheit und den
eigenen Herd. Deutsche aber fochten auf beiden Seiten, ja, der Kern aller deut-
schen Völker stand hier feindlich gespalten sich gegenüber, und welches Heer deir
Sieg gewann, die Deutschen wurden immer geschlagen. Das mörderische Schlach-
ten begann; mit der höchsten Erbitterung kämpften beide Heere. Der tapfere
Theodorich kam ums Leben, aber sein Sohn Thörismund nahm blutige
Rache. Die Westgotheu entschieden die Schlacht, Nachdem schon gegen 200,000
Menschen gefalle«: waren, wich Attila zurück, und das Abendland war gerettet.
Attila hatte schor: einen großen Scheiterhaufen von Pserdesättelu errichten lassen,
um sich darauf zu verbrennen, wenn er verfolgt worden und unterlegen wäre.
Aber er entkam. Thorismuud ward auf den noch blutige:: Schild erhoben, und unter
dem Jauchzen der Sieger zum Könige der Westgotheu ausgerufen. Aber die,
welche das Unglück verbunden, trennte das Glück. Aötius, auf seinen Ruhm
und seine Macht eifersüchtig, schied sich von Thorismuud und bewog diesen, in