1872 -
Halle a/S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Keck, Heinrich, Meyn, Ludwig, Sach, August
- Hrsg.: Johansen, Christian
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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die Post ein und stiftete sogar eine Gesellschaft für den Sechandel nach Afrika.
Ein besonderes Verdienst erwarb er sich durch die Aufnahme von 20,000 fran-
zösischen Protestanten, welche die Verfolgungssucht des Königs Ludwig Xiv.
zur Flucht aus ihrem Vaterlande genöthigt hatte. Ausgezeichnet durch ernste
Frömmigkeit, regsamen Fleiß und mancherlei Kunstfertigkeit, haben diese neuen
Einwanderer großen Segen gestiftet. Auch der geistigen Bildung seiner Unter-
thanen widmete der Kurfürst die treueste Fürsorge. Die Macht und das An-
sehen seines Staates endlich vermehrte er vorzüglich durch das tüchtige stehende
Heer, welches er gründete. So hinterließ er bei seinem Tode ein blühendes
Land, dessen Glück und Ruhm sein Werk war. „Mein Ziel war darauf
gerichtet," sprach er kurz vor seinem Ende zu seinem Sohne, „mein kurfürst-
liches Haus in Nus, Flor und Ansehen zu bringen. Ich zweifle nicht, mein
Sohn, dn werdest in den Grundsätzen, wodurch ich den Staat glücklich
beherrschte, mein Nachfolger sein, vor allen Dingen Gott vor Augen haben,
deine Unterthanen herzlich lieben, treue Räthe hören und das Heft der Waffen
nicht aus den Händen lassen, denn dadurch muß nächst göttlicher Hülfe die
Sicherheit deiner Länder und der so sauer erworbene Ruhm des Kurhauses
Brandenburg hauptsächlich aufrecht erhalten werden. Mit allem Fleiß sei
darauf bedacht, den Ruhn:, welchen ich dir als ein Erbtheil hinterlasse, zu wah-
ren und zu mehren." Er starb, 68 Jahre alt, nach 48jährigcr Regierung.
Seine letzten Worte waren: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt."
Friedrich Iii., des großen Kurfürsten Sohn, war kein kraftvoller
Herrscher, verlieh aber der von seinem ruhmreichen Vater begründeten Macht
dadurch einen höheren Glanz, daß er ihr,den königlichen Namen erwarb.
Mit Zustimmung des deutschen Kaisers, dem er Beistand in seinen Kriegen
leistete, setzte er sich 1701 (ernt 18. Januar) zu Königsberg in Preußen unter
großen Feierlichkeiten die Königskrone auf. Als König aber wollte er
selbständig dastehen; daher nannte er sich nicht König von Brandenburg,
weil dieses Land nur einen Theil des Deutschen Reiches bildete, sondern
Friedrich I., König in Preußen; denn über Preußen herrschte er ganz,
unabhängig.
33. Feldmarschall Derffliriger.
1. Der Kurfürst saß beim Mahle,
die Becher kreisten froh,
es saß an seiner Seite
der Held von Rathenow.
2. Er hatte kühn geschwungen
für seinen Herrn das Schwert,
und Ehre sich erstritten,
des schönsten Ruhmes werth.
3. Der Wein, der macht beredter
und öffnet jedes Herz;
und lauter ward die Freude,
und freier ward der Scherz.
4. Doch mancher, Höfling schallte,
gereizt von schnödem Neid,
scheel nach dem kühnen Helden
und grollt' in Bitterkeit.
5. Ein Herr ans Baierlandc,
wohl sechzehn Ahnen schwer,
sprach zierlich und geschliffen
vom Brandenburger Heer,
6. und fragt', verächtlich lächelnd,
gcröthet vom Pokal:
„Jst's wahr? Ein Schneider wurde
ein großer General?"
7. Drob freute sich verstohlen
die feige Höfliugöschaar
und reicht' dem fremden Grafen
noch einen Becher dar.
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