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1. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 278

1872 - Halle a/S. : Buchh. des Waisenhauses
278 zeigten sich zwar die Russen tapfer, aber sie mußten das Schlachtfeld räumen und zogen sich tief in das Land hinein nach Moskau, der alten Hauptstadt des Reiches, indem sie alles hinter sich her verheerten. Napoleon folgte ihnen gegen den Rath seiner Generale. Da ereilte ihn in der alten Zaarenstadt die gött- liche Gerechtigkeit. Am 14. September war er siegestrunken in das ehrwürdige Schloß der russischen Kaiser, den Kreml, eingezogen; aber schon in der folgen- den Nacht brachen dort über seinem Haupte die Flammen aus, welche vier Tage lang wütheten und die ganze Stadt in Asche legten. Itnsäglicher Schrecken ergriff das französische Heer, welches in Moskau sichere Winterquartiere zu finden gehofft hatte. Ende Octobcr mußte Napoleon den Rückzug durch das feindliche Land antreten. Hierauf hatten die Russen gewartet. Mit den Schwärmen ihrer Kosacken verfolgten sie den fliehenden Feind, ließen ihm keine Ruhe, weder bei Tag noch bei Nacht, und wer sich nur von dem Hauptheere entfernte, wurde niedergemacht. Da brach Tod und Verderben noch furchtbarer iiber das ge- waltige Heer herein. Früher als gewöhnlich begann der in den öden Steppen Rußlands so harte Winter. Die fliehenden Schaaren hatten keinen Schutz ge- gen seine Strenge; ihre Kleider waren zerrissen, die Füße, halb entblößt, zitterten auf dem kalten Schnee; die Dörfer und Städte waren verwüstet, nirgends ein Obdach gegen den furchtbar schneidenden Wind, kein Bissen Brot, den nagenden Hunger zu stillen. Da ergriff Verzweiflung ihre Herzen. An jedem Morgen lagen Haufen Erfrorener um die ausgebrannten Wachtfeuer. Die ermatteten Krieger konnten sich kaum weiter schleppen; Tausende blieben zurück und wurden eine Beute der russischen Wölfe. Als das erschöpfte Heer iiber die Beresina zog — hinter ihm her waren die russischen Schaaren, — da bracher: die Brücken, und Tausende fanden in den Fluten ihr Grab. — Da verließ Napo- leon heimlich das Heer, und in einem Schlitten fuhr er nach Frarrkreich. Die Hand des Herrn hatte ihn getroffen. Der hatte gesagt: „Bis hierher und nicht weiter; hier sollen sich leger: beine stolzen Wellen! " Ein Häuflein nur vor: der „großen Armee" zog durch Preußen. Sein Anblick erregte Entsetzen r:nd Mitleiden. Halbnackt, zerlumpt, mit erfrorenen Gliedmaßen, ausgehungert, krank und elend erschienen die wieder, welche erst vor wenig Monaten in stolzem Uebermuth und des Sieges gewiß ausgerückt waren. Da ergriff das preußische Volk die Ueberzeugung, daß nun die Stunde der Er- lösung aus schwerer Knechtschaft geschlagen habe. „Das ist Gottes Finger!" ging cs von Munde zu Munde. Es gab nur ein Gefühl im Vaterlande: glü- henden Haß gegen die Franzosen. Es war das erklärlich. Sie hatten Preußen zerstückelt, ausgesogen, den König und seine edle Gemahlin — die ruhte nun schon im Grabe — verhöhnt. Der König war kaum noch Herr in seinem Lande. Mit frechem Uebermuth hatten sie das Volk zertreten. Jetzt oder nie war der Augenblick erschienen, wo man die Ketten sprengen konnte. Man war- tete sehnsüchtig, daß der König das Zeichen zum Losschlagen geben sollte. Und der erließ endlich am 3. Februar einen Aufruf, sich sreitvillig zun: Schutze des Vaterlandes zu bewaffnen. Es war nicht gesagt, wem das gelte, es war auch nicht nöthig, jeder wußte es. Der König hatte nach den vielen bitteren Erfah- rungen seines Lebens kaun: zu hoffen gcivagt, daß der Aufruf eine tiefe Wirkung 42. Preußens Erhebung.
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