1872 -
Halle a/S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Keck, Heinrich, Meyn, Ludwig, Sach, August
- Hrsg.: Johansen, Christian
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
429
Das auf Bergen gesammelte Wasser rinnt theils an ihrer Oberfläche herab
und bildet Bäche, theils senkt es sich in die kleinen Klüfte derselben und zieht sich
hier in die Tiefe. Am deutlichsten sieht man diesen ersten Ursprung der Quellen
in den Bergwerken. Die Berge sind im Innern nach allen Richtungen zerklüftet,
und in geringer Tiefe unter Tage träufelt das Wasser aus diesen kleinen Klüften
an allen Punkten hervor; allenthalben hört man das Fallen der Tropfen, und
dies vermehrt sich, je tiefer man kommt, sodaß man in allen Gruben Pumpwerke
zu erhalten genöthigt ist, um die sogenannten Tagewasser herauszupumpen. Da
diesem hineindringenden Wasser immer anderes nachfolgt, dessen Schwere es mit
zu tragen hat, so sucht es sich allenthalben durch die Klüfte Wege nach unten, bis
es endlich auf eine Stelle kommt, wo es verhindert wird, tiefer niederzusinken,
und wahrscheinlich sind die Klüfte der Berge soweit mit Wasser gefüllt, als dieses
einzudringen vermag. Die Schwere der in den Klüften auf das untere Wasser
drückenden Wassersäule preßt dieses nach den Thälern und niederen Gegenden hin,
durch Lager von Sand und Erde, wobei sich das Wasser eine oder mehrere Rinnen
aushöhlt, aus welchen es auf gewissen Stellen hervorbricht und Quellen bildet.
Nach der verschiedenen Gestaltung und Fortsetzung der Berge unter der Erdober-
fläche können diese Quellen dem Berge, in welchem sie entstehen, entweder nahe
liegen oder fern von ihm hervorbrechen.
Wenn in einzelnen Gegenden wasserdichte Thonschichten das Aufsprudeln
der Quellen hindern, so kann man dieselben durchgraben oder durchbohren und
erhält aus diese Weise in wasserleeren Landschaften oftmals köstliche Sprudel-
quellen.
Auf ihrem Wege durch die Spalten der Berge lösen die Quellen aus den
Gesteinen oftmals verschiedene Salze auf und werden dadurch Mineralquellen oder
Gesundbrunnen; immer enthalten sie Kohlensäure, welche in kleinen Luftbläschen
sich ausscheidet, sobald das Wasser im Glase steht oder auf der Erdoberfläche
fließt. Da unter' den aufgelöseten Salzen, welche durchsichtig klar im Quellwasser
befindlich sind, auch Kalk zu nennen ist und dieser Kalk nicht aufgelöst bleiben
kann, wenn die Kohlensäure fehlt, so schlägt er sich an der freien Luft nieder,
und die Bäche und Flüsse enthalten keinen Kalk mehr, das heißt, sie führen wei-
ches Wasser. Das Flußwasser löst weiße und grüne Seife ohne Trübung auf,
das Quellwasser dagegen trübt sich mit der Seife, indem es dieselbe zerlegt.
Daher nennt man das Quellwasser hartes, das Fluß- oder Regenwasser aber
weiches Wasser.
140. Segen des Wassers.
Das Wasser stellt sich uns in dem Spiegel der Natur unter dem Bilde
einer guten Hausmutter dar. Ohne das Wasser würde gar bald die ganze Ober-
fläche der Erde zu einer Einöde werden, gleich den afrikanischen Wüsten, in der
dürren Zeit des Jahres; ohne dasselbe würden alle Gewächse verdorren, alle
Thiere dahinsterben. Aber gleich einer sorgsamen Mutter, die ohne Aufhören in
allen Räumen ihres Hauses herumwandelt, bald hinab zu dem Keller, bald zum
Speicher des Oberbodens steigt, um alle die Ihrigen mit dem, was ihnen noth-
thut, zu versehen, strömt das Wasser der Erde in den Flüssen und Bächen hinab
zu dem Meere, steigt von da, nach kurzem Verweilen, als Dampf hinauf in die
Luft, träufelt als Thau, ergießt sich als Regen über das durstende Land, sammelt
sich auf dem kühlen Gebirge oder auf dem waldigen Hügel zum Quell oder Bach