1902 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Sach, August, Meyn, Ludwig
- Hrsg.: ,, Keck, Heinrich, Johansen, Christian
- Auflagennummer (WdK): 16
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Zi. Roland Schildträger.
14. Dem Niesen schwand der Mut dahin,
wie ihm der Schild entrissen;
das Kleinod, das ihm Kraft verliehn,
mußt' er mit Schmerzen missen.
Zwar lief er gleich dem Schilde nach,
doch Noland in das Knie ihn stach,
daß er zu Boden stürzte.
15. Roland ihn bei den Haaren griff,
hieb ihm das Haupt herunter,
ein großer Strom von Blute lief
ins tiefe Tal hinunter.
Und aus des Toten Schild hernach
Roland das lichte Kleinod brach
und freute sich am Glanze.
16. Dann barg er's unterm Kleide gut
und ging zu einem Quelle;
da wusch er sich von Staub und Blut
Gewand und Waffen helle.
Zurücke ritt der jung' Roland,
dahin wo er den Vater fand,
noch schlafend bei der Eiche.
17. Er legt' sich au des Vaters Seit',
vom Schlafe selbst bezwungen,
bis in der kühlen Abendzeit
Herr Milon aufgesprungen:
„Wach' auf, wach' auf, mein Sohn Roland!
Nimm Schild und Lanze schnell zur Hand,
daß wir den Riesen suchen!"
18. Sie stiegen auf und eilten sehr,
zu schweifen in der Wilde;
Roland ritt hinterm Vater her
mit dessen Speer und Schilde.
Sie kamen bald zu jener Statt',
wo Roland jüngst gestritten hätt';
der Riese lag im Blute.
19. Roland kaum seinen Augen glaubt',
als nicht mehr war zu schauen
die linke Hand, dazu das Haupt,
so er ihm abgehauen,
nicht mehr des Niesen Schwert und Speer,
auch nicht sein Schild und Harnisch mehr,
nur Rumps und blut'ge Glieder.
20. Milon besah den großen Rumpf:
„Was ist das für 'ne Leiche!
Man sieht noch am zerhau'nen Stumps,
wie mächtig war die Eiche.
Das ist der Riese; frag' ich mehr?
Verschlafen hab' ich Sieg und Ehr',
druni muß ich ewig trauern." —
21. Zu Aachen vor dem Schlosse stund
der König Karl gar bange:
„Sind meine Helden wohl gesund?
sie weilen allzulange.
Doch seh' ich recht, auf Königswort!
so reitet Herzog Haimou dort,
des Riesen Haupt am Speere."
22. Herr Haimou ritt in trübem Akut,
und mit gesenktem Spieße
legt' er das Haupt, besprengt mit Blut,
dem König vor die Füße:
„Ich fand den Kopf im wilden Hag,
und fünfzig Schritte weiter lag
des Riesen Rumpf am Boden."
23. Bald auch der Erzbischof Turpin
den Riesenhandschuh brachte,
die ungefüge Hand noch drin;
er zog sie aus und lachte:
„Das ist ein schön Reliquienstück,
ich bring' es ans dem Wald zurück,
fand es schon zugehauen."
24. Der Herzog Naims von Bayerland
kam mit des Riesen Stange:
„Schaut an, was ich im Walde fand!
ein Waffen, stark und lange.
Wohl schwitz' ich von dem schweren Druck;
hei! bayrisch Bier, ein guter Schluck,
sollt' mir gar köstlich munden!"
25. Graf Richard kam zu Fuß daher,
ging neben seinem Pferde;
das trug des Riesen schwere Wehr,
den Harnisch samt dem Schwerte:
„Wer suchen will im wilden Tann,
manch Waffenstück noch finden kann;
ist mir zu viel gewesen."
26. Der Graf Garin tät ferne schon
den Schild des Riesen schwingen.
„Der hat den Schild, des ist die Krön',
der wird das Kleinod bringen!"
„Den Schild hab' ich, ihr lieben Herrn,
das Kleinod hätt' ich gar zu gern,
doch das ist ausgebrochen."
27. Zuletzt tät man Herrn Milon sehn,
der nach dem Schlosse lenkte;
er ließ das Rößlein langsam gehn,
das Haupt er traurig senkte.
Roland ritt hinterm Vater her
und trug ihm seinen starken Speer
zusamt dem festen Schilde.
28. Doch wie sie kamen vor das Schloß
und zu den Herr'n geritten,
nwcht' er von Vaters Schilde los
den Zierat in der Mitten;
das Riesenkleinod setzt' er ein,
das gab so wunderklaren Schein,
als wie die liebe Sonne.