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1. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 215

1902 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
56. Polykarpus. 215 55. Der gerettete Jüngling. Eine schöne Menschenseele finden ist Gewinn; ein schönerer Gewinn ist sie erhalten, und der schönst' und schwerste, sie, die schon verloren war, zu retten. Sankt Johannes, ans dem öden Patmos wiederkehrend, war, was er gewesen, seiner Herden Hirt. Er ordnet' ihnen Wächter, ans ihr Innerstes aufmerksam. In der Menge sah er einen schönen Jüngling; fröhliche Gesundheit glänzte vom Gesicht ihm, und aus seinen Augen sprach die liebevollste Feuerseele. „Dieseujüngling", sprach er zudem Bischof, „nimm in deine Hut. Mit deiner Treue stehst du mir für ihn! hierüber zeuge mir und dir vor Christo die Gemeine." Und der Bischof nahm den Jüngling zu sich, unterwies ihn, sah die schönsten Früchte in ihm blühn, und weil er ihm vertraute, ließ er nach von seiner strengen Aufsicht. Und die Freiheit war ein Netz des Jüng- lings; angelockt von süßen Schmeicheleien, ward er müßig, kostete die Wollust, daun den Reiz des fröhlichen Betruges, dann der Herrschaft Reiz; er sammelt' um sich seine Spielgesellen, und mit ihnen zog er in den Wald, ein Haupt der Räuber. Als Johaunes iu die Gegend wieder kam, die erste Frag' an ihren Bischof war: „Wo ist mein Sohn?" „Er ist ge- storben", sprach der Greis und schlug die Augen nieder. „Wann und wie?" — „Er ist Gott abge- storben, ist, mit Tränen sag' ich es, ein Räuber." „Dieses Jüuglings Seele", sprach Jo- hannes, „fordr' ich einst von dir! Jedoch wo ist er?" — „Auf dem Berge dort!" „Ich muß ihn sehen!" Und Johannes, kaum dem Walde nahend, ward ergriffen; eben dieses wollt' er. „Führet", sprach er, „mich zu eurem Führer." Vor ihn trat er. Und der schöne Jüngling wandte sich: er konnte diesen Anblick nicht ertragen. „Fliehe nicht, o Jüngling, nicht, o Sohn, den waffenlosen Vater, einen Greis. Ich habe dich gelobet meinem Herrn und muß für dich antworten. Gerne geb' ich, willst du es, mein Leben für dich hin; nur dich fortau verlassen kann ich nicht! Ich habe dir vertrauet, dich mit meiner Seele Gott verpfändet." Weinend schlang der Jüngling seine Arme um den Greis, bedeckte sein Antlitz stumm und starr; dann stürzte, statt der Antwort, aus den Augen ihm ein Strom von Tränen. Auf die Kniee sank Johannes nieder, küßte seine Hand und seine Wange, nahm ihn neugeschenket vom Gebirge, läuterte sein Herz mit süßer Flamme. Jahre lebten sie jetzt unzertrennet miteinander; in den schönen Jüngling goß sich ganz Johannes' schöne Seele. Sagt, was war es, was das Herz des Jünglings also tief erkannt' und innig festhielt? und es wiederfand und unbezwingbar rettete? Ein Sankt Johannes-Glaube, Zutraun, Festigkeit und Lieb' und Wahrheit. Herder. 56. Polykarp ns. „Ivas tötet ihr die Glieder?" rief die Wut des Heidenpöbels: „Sucht und würgt das Haupt!" Man sucht den frommen Polykarpus, ihn, Johannes'bild und Schüler. Sorgsam hatten die Seinen ihn aufs Land geflüchtet. „Ich sah diese Nacht das Kissen meines Haupts in voller Glut", so sprach der kranke Greis und wachte mit besondrer Freude auf. „Ihr, Lieben, mühet euch umsonst; ich soll mit meinem Tode Gott lobpreisen." Da erscholl das Hans vom stürmenden Geschrei der Suchenden. Er nahm sie freundlich auf: „Bereitet", sprach er, „diesen Müden noch ein Gastmahl, ich bereite mich indes zur Reise auch.". Er ging und betete und folgete mit vielen Schmerzen ihnen zum Konsul. Als er auf den Richtplatz kam, rief eine mücht'ge Stimm' im Busen ihm: „Sei tapfer, Polykarp!" — Der Konsul sieht den heitern, schönen, ruhigsanften Greis verwundernd. „Schone", sprach er, „deines Alters und opfre hier, entsagend deinem Gott!"
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