1902 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Sach, August, Meyn, Ludwig
- Hrsg.: ,, Keck, Heinrich, Johansen, Christian
- Auflagennummer (WdK): 16
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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2. Attila.
Seine wandernde Hofhaltung in der ungarischen Ebene war die größte^
bunteste und reichste jener Zeit. Häuptlinge und Königskinder deutscher und
slavischer Stämme bildeten neben den Fürsten der Hunnen und der stammver-
wandten Völker seinen Hofstaat. Unter der Leibwache, die im Ringe um den
schön geschnitzten Zaun seines Hofes lag, dienten Männer aus fast allen Völkern
zwischen Persien und den Pyrenäen; edle Gotensürsten neigten ehrfurchtsvoll ihr
Haupt vor seinem Befehl; Königskinder aus Thüringen und anderen deutschen
Landen wurden als Geiseln an seinem Hofe erzogen neben Sprößlingen der Wander-
stämme an der Wolga und der tatarischen Ebene; unterworfene Völker der Ostsee
führten ihm Zobel- und Otternselle aus dem Eise des Nordens zu; Gesandte
aus Nom und Konstantinopel harrten furchtsam am Hoftor, um seine zornigen
Befehle entgegenzunehmen oder ihm demütig kostbare Geschenke zu Füßen zu legen.
Nachdem er zuerst sich gegen Osten gewandt und Griechenland verwüstet
hatte, aber durch ein unermeßliches Lösegeld zum Abzüge bewogen war, zog er
im Jahre 451 durch Deutschland nach Gallien (dem heutigen Frankreich), in
dessen südlichem Teile inzwischen die Westgoten nach gewaltigen Wanderungen
ein geordnetes Reich gegründet hatten. Deutschland ward auf diesem Durchzuge
der Hunnen furchtbar verwüstet; wie ein Heuschreckenschwarm verheerten sie alles
Land. Am Rheine warfen sich 10 000 Burgunden dem Weltstürmer Attila ent-
gegen, aber vergeblich; in heldenmütigem Kampfe gingen sie ruhmvoll unter. Nun
aber vereinigten sich die Westgoten und die Römer, um durch gemeinsame An-
strengung die Bildung des Abendlandes und das Christentum zu schützen. Der
römische Feldherr Aetius und der Westgotenkönig Theodorich brachten ein
gewaltiges Heer zusammen und trafen in den weiten Ebenen von Chalons an
der Marne, wohin Attila sich gezogen hatte, um für seine zahllose Reiterei
Raum zu gewinnen, mit dem Feinde zusammen. Dort sammelten sich die
Völker des Morgenlandes und die Völker des Abendlandes und standen sich
gegenüber in heißer Erwartung des Kampfes, der das Schicksal Europas ent-
scheiden sollte. Attila hatte die Übermacht der Masse, der Einheit und der
Feldherrngabe; aber auf der Seite der Abendländer stritt die Begeisterung für
alles Große der alten Welt, für das Christentum, für die Freiheit und den
eigenen Herd. Deutsche aber fochten auf beiden Seiten, ja, der Kern aller
deutschen Völker stand hier feindlich gespalten sich gegenüber, und welches Heer
den Sieg gewann, die Deutschen wurden immer geschlagen. Das mörderische
Schlachten begann; mit der höchsten Erbitterung kämpften beide Heere. Der tapfere
Theodorich kam ums Leben, aber sein Sohn Thorismund nahm blutige Rache.
Die Westgoten entschieden die Schlacht. Nachdem schon gegen 200 000 Menschen
gefallen waren, wich Attila zurück, und das Abendland war gerettet. Attila hatte
schon einen großen Scheiterhaufen von Pferdesätteln errichten lassen, um sich darauf
zu verbrennen, wenn er verfolgt worden und unterlegen wäre. Aber er entkam.
Thorismund ward auf den noch blutigen Schild erhoben und unter dem Jauchzen
der Sieger zum Könige der Westgoten ausgerufen. Aber die, welche das Unglück
verbunden, trennte das Glück. Aetius, auf seinen Ruhm und seine Macht eifer-
süchtig, schied sich von Thonsmund und bewog diesen, in sein Land zurückzugehen.
Zur Entschädigung für die Beute, die Aetius sich vorweg genommen, erhielt
Thorismund eine fünf Zentner schwere Schüssel von Gold, mit den köstlichsten