1902 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Sach, August, Meyn, Ludwig
- Hrsg.: ,, Keck, Heinrich, Johansen, Christian
- Auflagennummer (WdK): 16
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
14. Die Weiber von winsperg.
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eingesehen, beschloß er, Bayern und Sachsen zu zerstückeln, wie schon früher
Franken und Lothringen zerstückelt worden. Heinrich behielt nur Braunschweig
und Lüneburg. Um die Befestigung dieses neuen Zustandes zu sichern, mußte
Heinrich der Löwe drei Jahre das Land meiden.
Im hohen Alter unternahm der Kaiser, da Jerusalem durch Saladin wieder-
erobert worden war, noch einen Kreuzzug. Siegreich durchzog er auch Klein-
asien, aber er erreichte nicht das Heilige Land. Als er am Kalykadnos oder
Saleph, einem Flusse im südöstlichen Kleinasien, angekommen war, führte sein
Sohn den Vortrab, das Gepäck folgte, er selbst befand sich beim Hintertreffen.
Weil aber die Brücke über den Strom nur schmal war, so ging der Zug sehr
langsam vorwärts. Deshalb beschloß der Kaiser, der schnell zu seinem Sohne
zu kommen wünschte, den Fluß zu durchschwimmen. Zwar warnten ihn die
Seinen, er möge sich nicht dem ihm unbekannten Wasser anvertrauen; allein
furchtlos, wie immer, sprengte er mit dem Pferde in den Strom. Der Greis
hatte aber nicht mehr soviel jugendliche Kraft, als jugendlichen Mut; die Wellen
ergriffen ihn gewaltig und rissen ihn fort, und als man endlich zu Hilfe kam
und ihn aufs Land brachte, war er bereits entseelt. Das war am 10. Juni 1190.
Die Bestürzung, der Jammer, die Verzweiflung überstieg jedes Maß: der Kaiser,
der Feldherr, der Vater sei verloren, nun könne ihnen kein Glück mehr aufblühen.
Sein Sohn, Herzog Friedrich von Schwaben, führte das Heer noch bis
Akkon oder Ptolemais in Palästina und stiftete hier den deutschen Orden
zur Krankenpflege und zum Kampf wider die Ungläubigen, aber er starb schon
im folgenden Jahre während der Belagerung der Stadt. So verlief der Kreuzzug
fast ohne unmittelbare Folgen. Nach G. Freytag.
14. Die Weiber von Winsperg.
1. Der erste Hohenstaufen, der König Konrad, lag
mit Heeresmacht vor Winsperg seit manchem langen Tag:
der Welfe war geschlagen, noch wehrte sich das Nest,
die unverzagten Städter, die hielten es noch fest.
2. Der Hunger kam, der Hunger! das ist ein scharfer Dorn;
nun suchten sie die Gnade, nun fanden sie den Zorn.
„Ihr habt mir hier erschlagen gar nmnchen Degen wert,
und öffnet ihr die Tore, so trifft euch doch das Schwert."
3. Da find die Weiber kommen: „Und muß es also sein,
gewährt uns freien Abzug, wir sind vom Blute rein."
Da hat sich vor den Armen des Helden Zorn gekühlt,
da hat ein sanft Erbarmen im Herzen er gefühlt.
4. „Die Weiber mögen abziehn, und jede habe frei,
was sie vermag zu tragen und ihr das Liebste sei;
laßt ziehen mit ihrer Bürde sie ungehindert fort,
das ist des Königs Meinung, das ist des Königs Wort."
5. Und als der frühe Morgen im Osten kaum gegraut,
da hat ein seltnes Schauspiel vom Lager man geschaut: