1902 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Sach, August, Meyn, Ludwig
- Hrsg.: ,, Keck, Heinrich, Johansen, Christian
- Auflagennummer (WdK): 16
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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72. Andreas H>ofer,
forberer aufsuchen. Bald stehen die kräftigen Männer einander gegenüber,
den Stoßring von Eisen und Silber mit dem großen Knopfe um die Faust
geschlungen; Zuschauer haben sich eingefunden, welche die Rolle der Kampf-
richter spielen. Jetzt beginnt der Kampf; Schlag folgt auf Schlag, es dröhnt,
Fechter wissen den Schlag zu schwächen, aufzufangen. Erst nach langer
Anstrengung und vielem Blutverluste erklärt sich der eine für besiegt, worauf
ihm der Sieger die Feder vom Hute nimmt. Wer 3 Federn am Hute trägt,
erklärt damit, daß er es mit jedem Gegner aufnimmt.
Eine anziehende Erscheinung ist der tanzende Tiroler. Jauchzend,
stampfend und klatschend dreht und kreiselt er sich mit künstlerischer Fertig-
keit um seine Tänzerin. Seine dichterische Anlage offenbart er durch Goßl-
reime, Trutzliedle und Märchenerfindungen, seinen Kunstsinn durch Aus-
schmückung des Hauses mit zierlichem Schnitzwerk und buntem Anstrich.
Seine Tracht ist nach den Orten verschieden, aber allenthalben malerisch.
Der Jnntaler trägt dunkle, kurze Lederhosen und Strümpfe, welche das
Knie bloß lassen; ein breiter Gürtel umfaßt seine Taille, breite Hosenträger
kreuzen sich über dem roten Brustlätze, und zur kurzen Jacke paßt der
große, runde, mit breiten Bändern geschmückte Hut. Auch die Tracht der
Frauen ist verschieden, aber ebenfalls schön. Die Unter-Jnntalerin schmückt
ihr frisches Gesicht mit einem hohen, spitzen Hut und legt über den kurzen
Faltenrock einen stattlichen Latz. Die Ober-Jnntalerin dagegen trägt einen
grünen Filz- oder gelben Slrohhut, ein grünes Leibchen, weiße Hemdärmel,
und dem schwarzen Stutzen fügt sie ein zierlich geknüpftes schwarzes Hals-
tuch bei, wozu rote oder blaue Strümpfe grell abstechen. — Solche Gestalten
inmitten der Riesenhäupter der Alpen, prächtiger Täler, Wasserfälle und
Schneefelder, lieblicher Dörfer und Städtchen, stattlicher Klöster und Burgen
machen auf das Auge des Wanderers einen höchst wohltuenden Eindruck.
Kutzner.
72. Andreas Hofer.
1. öit Mantua in Banden
der treue Hafer war:
in Mantua zuni Tode
führt ihn der Feinde Schar.
Es blutete der Brüder Herz;
ganz Deutschland, ach, in Schmach und Schmerz,
mit ihm das Land Tirol!
2. Die Hände auf dem Rücken
Andreas Hofer ging
mit ruhig festen Schritten;
ihm schien der Tod gering,
der Tod, den er so manches Mal
vom Jselberg geschickt ins Tal
im heiligen Land Tirol.
3. Doch als aus Kerkergittern
im festen Mantua
die treuen Waffenbrüder
die Hand' er strecken sah,
da rief er aus: „Gott sei mit euch,
mit dem verrat'nen deutschen Reich
und mit dem Land Tirol!"
4. Dem Tambour will der Wirbel
nicht unterm Schlägel vor,
als nun Andreas Hofer
schritt durch das finstre Tor;
Andreas, noch in Banden frei,
dort stand er fest auf der Bastei,
der Mann vom Land Tirol.
5. Dort sollt' er niederlnieen;
er sprach: „Das ln' ich nit,
will sterben, wie ich stehe,
und wie ich stand und stritt,
so wie ich steh' auf dieser Schanz';
es leb' mein guter Kaiser Franz,
mit ihm sein Land Tirol!"
6. Und von der Hand die Binde
nimmt ihm der Korporal;
Andreas Hofer betet
allhier zum letztenmal;
dann ruft er laut: „So trefft mich recht;
gebt Feuer! — Ach, wie schießt ihr schlecht!
Ade, mein Land Tirol!" Mosen.