1902 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Sach, August, Meyn, Ludwig
- Hrsg.: ,, Keck, Heinrich, Johansen, Christian
- Auflagennummer (WdK): 16
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
1z. Die Einführung der Reformation.
33
der lutherischen Lehre erwarb sich sein ältester Sohn Christian, der in Ab-
wesenheit des Vaters als Statthalter die Regierungsgeschäfte in den Herzog-
tümern führte und seinen Sitz in Hadersleben hatte. Er war einst in
Begleitung des Markgrafen von Brandenburg, bei dem er erzogen wurde,
auf dem Reichstage in Worms zugegen und Zeuge gewesen, wie Luther
glaubensmutig seine Lehre in der Versammlung verteidigte. Luthers Worte
drangen tief in die Seele des jungen Fürsten, und er ward von Stund an
sein treuer Anhänger. Als einst ein Mönch vor dem Kaiser und den Fürsten
predigte und gar arge Worte gegen die neue Lehre und ihre Bekenner redete,
wurde Christian, der unter der Kanzel saß, sehr ergrimmt in seinem Gemüte.
Rach der Predigt kniete der Mönch auf der Kanzel nieder, um zu beten.
Dabei geschah es, daß der Strick, den der Mönch statt eines Gürtels um seinen
Mantel trug, durch eine Spalte der Kanzel gerade neben dem Prinzen herab-
hing. Unvermerkt band jetzt Christian den Strick fest und schlug einen Knoten
darin, so daß der Mönch sich nicht erheben konnte. Darüber geriet er in großen
Ecker, wendete sich an den Kaiser und sagte: „Gnädigster Kaiser, auch in Eurer
hohen Gegenwart scheut man sich nicht, uns armen Mönchen solches anzuthun;
was wird erst geschehen in Eurer Abwesenheit!" Als der Kaiser später erfuhr,
wer diesen Mutwillen verübt hätte, ward er sehr unwillig über den jungen
Fürsten und soll schon vorausgesagt haben, daß Christian einst ein großer Feind
der Mönche werden würde.
Als Statthalter des Königs wirkte Christian in den Herzogtümern mit
allem Ernst und Fleiß für die Sache der Reformation und rief viele lutherische
Prediger aus den benachbarten deutschen Ländern herbei. Ihm standen hierbei
die edelsten Männer aus der Ritterschaft zur Seite. Vor allen sein treuer
Freund Johann Rantzau, der ihn einst als Hofmeister nach Worms begleitet
hatte und, gleich ihm von evangelischer Gesinnung durchdrungen, unter seinen
Standesgenossen und im ganzen Lande eine feste Stütze der neuen Lehre ward.
Dann Benedikt von Ahlefeld, der Luther selbst in Wittenberg gehört hatte und
sich rühmen konnte, seine Lehre als einer der ersten in die Heimat gebracht
zu haben.
Als nun der König Friedrich im Jahre 1533 auf seinem Schlosse Gottorp
in seiner Residenzstadt Schleswig, der er bis zu seinem Tode seine Vorliebe be-
wahrte, gestorben und im Dome der Stadt beigesetzt war, dachte Christian an
Mittel und Wege, die der Reformation förderlich sein könnten, denn er hatte
Gottes Wort von ganzem Herzen lieb; kein Tag verstrich, da er nicht
knieend sein Gebet verrichtete und in seinem Gemache die Bibel für sich lesen
und geistliche Gesänge singen ließ. Als einst sein Hosprediger ihn im Beicht-
stühle mit seinem Königstitel anredete, fiel er ihm ins Wort und sagte:
„Soll ich Euch erst lehren, die Leute zu absolvieren? Ich komme hier zu Euch
nicht als König, sondern als ein armer Sünder, und heiße hier nicht
allergnädigster Herr, sondern Christian. Ihr aber seid da an Gottes Statt
und handelt mit mir nicht als ein Mensch, sondern als ein Diener Christi;
darum sollt Ihr Euch aller Titel enthalten." Gleich nach seinem Regierungs-
antritt erklärte er, lieber zu Fuß aus dem Lande gehen zu wollen, als noch
länger den unchristlichen Wandel der Geistlichkeit zu dulden. Es war noch
Schweres zu thun übrig; die Prälaten und die hohen Geistlichen beriefen sich
Vaterl. Leseb. Anhang Schlesw.-Holst, v. Prof. Or. A. Sach. 19. Anst. 1901. Z