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1. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 56

1902 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
56 27. was alles seit fünfzig Jahren in Gebräuchen und Sitten anders geworden ist. den Handwerkern? Wer's konnte, nahm sehr gern Wände von Backsteinen, und die Lehm- wände machten sich seltener; so machten sich auch die Brandmauern immer häufiger, be- sonders in Gegenden, wo man das Holz nicht nahebei hatte. Von lauter Eichenbolz wie die „Leden", „Ständer", Balken und Sparren, wie man von alters und noch hin und wieder stehende Häuser gebaut hat, wird wohl nirgends mehr gebauet. — Sonderbar er- scheint es, daß weder die Schornsteine die Schwibbögen, noch die Schwibbögen die Schorn- steine verdrängen; beide halten ziemlich genau ihr altes Gebiet inne und jeder sagt: Ich sichere mehr vor Feuersgefahr. Der Schornstein will aber auch seine Küche haben, die der Schwibbogen nicht begehrt. Die Küchen haben sich wenig gemehret, dagegen werden die Keller in großen Häusern auf dem Lande mit Inbegriff der Schulhäuser so häufig, wie sie noch vor fünfzig Jabren selten waren. Wie sich auch eine zweite Stube und in einigen Gegenden eine besondere Schlafkammer üblich gemacht hat, nffolgedessen die Schlafstellen an der Diele oder Vordiele sich vermindern, so bekommt man auch nicht selten mehr in Häusern auf dem Lande eng- lische Bettstellen zu sehen, wo sich früher nur eingemachte Wandbettstellen mit Thüren oder Gardinen davor fanden. Schwerlich ist auch noch irgendwo ein Wohnzimmer in einem neuern Hause, wie sie ehedem häufig waren, das nicht Manneshöhe hat. Ziehen wir aber, was den Baupunkt anbetrifft, noch dieses in Betracht. Ehedem war das Ausbauen aus den Dörfern hinaus ins freie Feld nicht so häufig. Allerdings für die Wirtschaft ist es vorteilhafter, die Feuersgefahr wird dadurch verinindert, der nachbarliche Friede besser ge- hütet. Doch keinen Umgang haben, heißt nicht Frieden haben, sondern nur keinen Streit haben; so viele Freundschafts- und Liebeserweisungen finden bei der Entlegenheit von- einander keine Gelegenheit; Kirchen- und Schulbesuch leidet darunter. 2. Wie man ak und trank. Allerdings in verschiedenen Gegenden und in verschiedenen Ständen ist das ver- schieden; allein diese Veränderungen in Speise und Trank haben sich gebräuchlich gemacht, ziemlich, überall und gehen immer weiter. Grütze und Biersuppe, Warmbier weichen vor Thee mit Kaffee und Butterbrot, und selbst Knechte und Mägde des Hauses bekommen in einigen Gegenden diese Frühkost oder hinter dieser noch eine andere. In Haushaltungen, da vor fünfzig Jahren nur ein Schwein jährlich geschlachtet wurde, jetzt zwei, drei, und noch eine Kuh oder ein Ochse. Immer mehr Fleisch und auch immer mehr Gemüse, Gar- tengewächs, das früher fast gar nicht auf den Tisch kam. Besonders haben die Kartoffeln sich allgemein gemacht, die früher den Dienstboten und Dreschern nicht geboten wurden, jetzt begehrt man sie schon, und sogenannte kleine oder arme Leute haben manchmal nichts anderes mit ihren Kindern als diese Speise, morgens, mittags, abends. Ehedem standen in den Marschen die Bohnen, auswärts Pferdebohnen geheißen, wo jetzt die Kartoffeln, als Speise auf dem Tisch. Auf den Geesten wurde fast immer Bier getrunken, immer Milch und Buttermilch, in den Marschen brauten die größeren Hofbesitzer das Bier selber für ihre Haushaltungen, fingen indes schon an, das Bier von einem Brauer zu nehmen. Brauerbier war aber nicht allgemein geachtet, deshalb ein Vater seiner Tochter die Lehre mitgegeben hat, als sie Bauerfrau werden sollte: „Gieb Deinen Leuten keine Brauerjauche, sondern braue selbst." Branntwein kam fast noch gar nicht vor, nicht einmal bei der Ernte oder anderen schweren Arbeiten; beständig Branntwein im Hause hatten nur Krüger und Brenner. Wein wurde noch nirgends als nur in Städten und bei Beamten, auch bei Kind- taufen und Hochzeiten gesehen. Von Punsch war kaum der Name bekannt. Das Wie? ist ein sehr weites Wort, es nimmt auch das Was? auf, wie es soeben gethan hat; folge das Wie? im engeren Verstände. Man aß von hölzernen, in Städten und Flecken von zinnernen Tellern. Diese sind gänzlich verschwunden, und das zerbrechliche Steingut nimmt ihre Stelle ein, bald werden auch die hölzernen wenig mehr gesehen werden. Bedauern wir diesen Wechsel aber nicht, wofern nur in den steinernen, englischen oder kellinghusernen so viel ist, woran sich ein Mensch satt essen kann. Man aß mit Messern, jeder mit seinem eignen, und mit einem Löffel, jeder mit seinem eignen. Nicht mit einer Gabel auch? Wo fand man auf dem Lande Gabeln in Gebrauch vor 50 Jahren! Damals wußte kein Landmann sich mit einer Gabel zu behelfen bei Tische. Waren sie doch auch selbst in Frankreich ani Ende des 16. Jahrhunderts neu, daß ein Spötter der Zeit von den vornehmen Essern sagte: „Sie fassen das Fleisch nie mit der Hand an, sondern mit Gabeln bringen sie es zum Munde,
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