1902 -
Braunschweig Leipzig
: Wollermann
- Autor: Carstensen, Carl
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1901
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
„Schweig,“ rief der Gaul, „und lass mich ruhig pflügen!
denn baute nicht mein Fleiss das Feld,
wo würdest du den Hafer kriegen,
der deiner Schenkel Stolz erhält?“
Geliert.
51. Der Wolf und der Mensch.
1. Der Fuchs erzählte einmal dem Wolfe von der Stärke des
Menschen. Kein Tier könnte ihm widerstehen, und sie müßten List
gebrauchen, um sich vor ihm zu retten. Da antwortete der Wolf:
„Wenn ich nur einmal einen Menschen zu sehen bekäme, ich wollte
doch auf ihn losgehen!" „Dazu kann ich dir verhelfen," sprach der
Fuchs; „komm nur morgen früh zu mir, so will ich dir einen zeigen!"
Der Wolf stellte sich frühzeitig ein, und der Fuchs brachte ihn hinaus
auf den Weg, den der Jäger alle Tage ging. Zuerst kam ein alter,
abgedankter Soldat. „Ist das ein Mensch?" fragte der Wolf. „Nein,"
antwortete der Fuchs, „das ist einer gewesen." Danach kam ein kleiner
Knabe, der zur Schule wollte. „Ist das ein Mensch?" „Nein, das
will erst einer werden." Endlich kam der Jäger, die Doppelflinte aus
dem Rücken und den Hirschfänger an der Seite. Da sprach der Fuchs
zum Wolf: „Siehst du, dort kommt ein Mensch, auf den mußt du
losgeheu; ich aber will mich fort in meine Höhle machen."
2. Der Wolf ging nun auf den Menschen los. Als der Jäger
ihn erblickte, sprach er: „Es ist schade, daß ich keine Kugel geladen
habe," — legte an und schoß dem Wolfe den Schrot ins Gesicht.
Der Wolf verzog das Gesicht gewaltig, doch ließ er sich nicht schrecken
und ging vorwärts. Da gab ihm der Jäger die zweite Ladung. Der
Wolf verbiß den Schmerz und rückte dem Jäger zu Leibe. Da zog
dieser seinen blanken Hirschfänger und gab ihm links und rechts ein
paar Hiebe, daß er, über und über blutend, mit Geheul zu dem Fuchse
zurücklief.
3. „Nun, Bruder Wolf," sprach der Fuchs, „wie bist du mit
dem Menschen fertig geworden?" „Ach," antwortete der Wolf, „so
hab' ich mir die Stärke des Menschen nicht vorgestellt! Erst nahm
er einen Stock von der Schulter und blies hinein; da flog mir etwas
ins Gesicht, das kitzelte mich ganz entsetzlich. Danach pustete er noch
einmal in den Stock, da flog mir's um die Nase wie Blitz und Hagel-
wetter. Und als ich ganz nahe war, da zog er eine blanke Rippe