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1. Lesebuch für ein- und zweiklassige Volksschulen - S. 214

1902 - Braunschweig Leipzig : Wollermann
214 ums Dasein kämpfen. Es kam nicht selten vor, daß es ans Neuhof an dem Allernotwendigsten fehlte, an Brot gegen den Hunger und an Holz gegen den Frost. Ein Lichtblick in diesem Lebensdunkel war die freundliche Aufnahme, die sein herrliches Volksbuch „Lienhard und Gertrud", das im Jahre 1781 erschien, überall fand. Die unver- geßliche Königin Luise von Preußen schrieb in ihr Tagebuch: „Ich lese jetzt ,Lienhard und Gertrud^ von Pestalozzi. Es ist mir wohl in diesem Schweizerdorfe. Ware ich mein eigner Herr, so setzte ich mich in meinen Wagen und rollte zu Pestalozzi in die Schweiz, um dem edlen Manne mit warmem Händedruck zu danken. Wie gut meint er es mit der Menschheit! Ja, in der Menschheit Namen danke ich ihm!" Im Jahre 1798 schlug endlich für Pestalozzi die Erlösungsstunde. Sein nach nützlicher, menschenbeglückender Thätigkeit ringender Geist fand ein neues Arbeitsfeld. Die Franzosen hatten den Kanton Unter- walden verwüstet, die Stadt Stanz größtenteils in einen Schutt- und Trümmerhaufen verwandelt und viele Kinder ihrer Eltern beraubt. Vater- und mutterlose Waisen irrten obdachlos umher. Hunger und Krankheiten waren ihre Begleiter. Dieser armen, verlassenen Kinder nahm Pestalozzi sich in selbstverleugnender Liebe an. Die Regierung überwies ihm das Kloster in Stanz als Waisenhaus und bewilligte die Mittel zur Unterhaltung. Bis auf 80 stieg die Zahl der eltern- losen Kinder, die er dem Elende entriß. Anfangs fehlte es im Waisen- hause an allem: an Raum, an Betten, an Kleidern, an Nahrung. Erst nach und nach wurde das Kloster wohnlich eingerichtet und alles, was zur Unterhaltung nötig war, herbeigeschafft. Aber noch schlimmer als der ordnnngslose Zustand des Hauses war die Verwilderung der Kinder. Sie waren voll Ungeziefer, die Köpfe grindig und auf- gebrochen, und die Haut war oft von Krätze zerfressen. Einige waren so krank, daß sie kaum gehen konnten; andre glichen abgezehrten Ge- rippen. Manche hatten immer im Elende gedarbt und waren das Betteln, Stehlen und Lügen gewohnt; andre hatten bessere Tage ge- kannt und waren jetzt anmaßend und anspruchsvoll und daneben hart und hochmütig gegen die übrigen Waisenkinder. Alle aber waren trüge, körperlich und geistig ungeübt und unwissend zum Erschrecken. Das waren Pestalozzis Pfleglinge! Unter diese Verwahrlosten trat er mit einem Herzen voll Liebe und unerschöpflicher Geduld. Er war den Kindern alles in allem: ihr Herr und ihr Bedienter, ihr Vater und ihre Mutter, ihr Aufseher und ihr Krankenwärter, ihr
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