1902 -
Braunschweig Leipzig
: Wollermann
- Autor: Carstensen, Carl
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1901
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
233
todkranke Kinder, kein Geld für Arznei, keins für Brot; ach,
das ist hart! Und nun noch ans dem Hause geworfen zu werden,
das ist entsetzlich! Als ich in der Verzweiflung herumlief, da
begegnete ich diesem Herrn —“ (Geliert winkte ihr zu schweigen.)
„Ja,“ fuhr sie fort, „winken Sie nur, ich muss es doch sagen, —
der gab mir das Geld.“
Der karge Beiche fuhr betroffen herum und sah Geliert an.
Was dieser ihm eben gesagt hatte, war noch frisch in seinem
Gedächtnis. „Sie haben das gethan?“ fragte er mit Erstaunen.
Tief ergriffen von dem Gedanken, dass der arme Geliert das
gethan, wandte er sich jetzt zu der Frau und sagte: „Hier haben
Sie das Briefchen, aber auch die dreißig Thaler. Pflegen Sie
Ihren kranken Mann und Ihre Kinder damit!" Und zu Geliert
sagte er: „Ich sehe, Sie können nicht nur schön reden, sondern
auch schön handeln! Um aber mein Unrecht einigermassen
wieder gut zu machen, so erlauben Sie mir, dass ich Sie zu der
armen Familie begleite! Sie sollen mich nun von einer andern
Seite kennen lernen!“
Mit Freuden nahm dies Geliert an. Beide fanden die Familie
im tiefsten Elend. Geliert übernahm es, ihr ärztliche Hilfe zu
verschaffen, und der Kaufmann sorgte für alle übrigen Bedürf-
nisse. Von nun an ging der Familie ein neues Leben auf, und
der Kaufmann, auf dessen Herz Gellerts Wort und Beispiel so
verbessernd gewirkt hatte, liess es bei dieser Wohlthat nicht be-
wenden. Er nahm den ältesten Sohn in seine Dienste, zahlte für
die übrigen Kinder das Schulgeld und blieb stets ihr Wohlthäter.
W. 0. von Horn. (Wilh. Örtel.)
179. Schillers Tod und Begräbnis.
1. Das Jahr 1805 war angebrochen. Schiller beschäftigte
sich seit längerer Zeit wieder mit einer neuen Tragödie, dem
„Demetrius“, der aber leider ein Bruchstück geblieben ist.
I nterleibskrämpfe und Brustschmerzen traten mit vermehrter
Heftigkeit auf. „Ich musste mir Gewalt anthun," schrieb er an
Goethe, „jetzt aber bin ich im Zuge.“ Sein Arbeitsdrang sollte
jedoch in kürzester Frist durch den Todesengel für immer ge-
hemmt werden. Sichtlich schwanden seine Kräfte dahin. Am
29. April war er zum letzenmal im Theater.
A on Todesahnungen ergriffen, verlangte er am Morgen des