1902 -
Braunschweig Leipzig
: Wollermann
- Autor: Carstensen, Carl
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1901
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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halfen ihm nichts; denn er befolgte nicht, was ihm die Ärzte befahlen,
sondern sagte: „Zum Henker! wofür bin ich ein reicher Mann, wenn
ich leben soll wie ein Hund, und der Doktor mich nicht gesund machen
will für mein Geld?"
4. Endlich hörte er von einem Arzte, der 100 Stunden weit weg
wohnte; der sei so geschickt, daß die Kranken gesund würden, wenn er-
ste nur recht anschaue, und der Tod gehe ihm aus dem Wege, wo er
sich sehen lasse. Zu dem Arzte faßte der Mann ein Zutrauen und
beschrieb ihm seinen Zustand. — Der Arzt merkte bald, was ihm fehle,
nämlich nicht Arznei, sondern Mäßigkeit und Bewegung, und dachte:
„Wart', dich will ich bald geheilt haben!" Deshalb schrieb er ihm ein
Brieflein folgenden Inhalts: „Guter Freund! Ihr habt eine schlimme
Krankheit; doch wird Euch zu helfen sein, wenn Ihr folgen wollt.
Ihr habt ein böses Tier im Leibe, einen Lindwurm mit sieben Mäulern.
Mit dem Lindwurm muß ich selber reden, und Ihr müßt zu mir
kommen. Aber fürs erste dürft Ihr nicht fahren oder ans dem Rößlein
reiten, sondern auf des Schuhmachers Rappen; sonst schüttelt Ihr den
Lindwurm, und er beißt Euch die Eingeweide ab, sieben Därme ans
einmal ganz entzwei. Fürs andre dürft Ihr nicht mehr essen als
zweimal des Tages einen Teller voll Gemüse, mittags ein Brat-
würstlein dazu, abends ein Ei und am Morgen ein Fleischsüpplein
mit Schnittlauch darauf. Was Ihr mehr eßt, davon wird nur der
Lindwurm größer, also, daß er Euch die Leber erdrückt, und der Schneider
hat Euch nicht viel mehr anzumessen, wohl aber der Schreiner. Dies ist
mein Rat, und wenn Ihr mir nicht folgt, so hört Ihr im andern
Frühjahr den Kuckuck nimmer schreien. Thut, was ihr wollt!"
5. Als der Kranke das gelesen hatte, ließ er sich sogleich die
Stiefel salben und machte sich am andern Morgen auf den Weg, wie
ihm der Doktor befohlen hatte. Den ersten Tag ging es so langsam,
daß wohl eine Schnecke hätte sein Vorreiter sein können, und wer ihn
grüßte, dem dankte er nicht, und wo ein Würmlein ans der Erde
kroch, das zertrat er. Aber schon am zweiten und am dritten Morgen
kam es ihm vor, als wenn die Vögel lange nicht so lieblich gesungen
hätten wie heute, und der Tan schien ihm so frisch und die Korn-
rosen im Felde so rot, und alle Leute, die ihm begegneten, sahen so
freundlich aus und und er auch; und jeden Morgen, wenn er ans der
Herberge ging, war's schöner, und er ging leichter und muntrer dahin.
Und als er am achtzehnten Tage in der Stadt des Arztes ankam
und den andern Morgen aufstand, war es ihm so wohl, daß er sagte:
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