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1. Lesebuch für ein- und zweiklassige Volksschulen - S. 389

1902 - Braunschweig Leipzig : Wollermann
389 16. Und rings statt duft'ger Gürten ein ödes Heideland; kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand; des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch, — versunken und vergessen, -— das ist des Sängers Fluch. Ludwig Uhland. 245. Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe. 1. Auf der Burg zu Germersheim, stark am Geist, am Leibe schwach, sitzt der greise Kaiser Rudolf, spielend das gewohnte Schach. 2. Underspricht: „Ihrgutenmeister, Ärzte! sagt mir ohne Zagen: wann aus dem zerbrochnen Leib wird der Geist zu Gott getragen?“ 3. Und die Meister sprechen: „Herr, wohl noch heut’ erscheint die Stunde.“ Freundlich lächelnd spricht der Greis: „Meister, Dank für diese Kunde!" — 4. „Auf nach Speier! Auf nach Speier!" ruft er, als das Spiel geendet; „wo so mancher deutsche Held liegt begraben, sei's vollendet! 5. Blast die Hörner! Bringt das Ross, das mich oft zur Schlacht getragen!" Zaudernd stehn die Diener all; doch er ruft: „Folgt ohne Zagen!" 6. Und das Schlachtrois wird ge- bracht. „Nicht zum Kampf, zum ew’gen Frieden," spricht er, „trage, treuer Freund, jetzt den Herrn, den lebensmüden!“ 7. Weinend steht der Diener Schar, als der Greis auf hohem Rosse — rechts und links ein Kapellan — zieht, halb Leich’, aus seinem Schlosse. 8. Trauernd neigt des Schlosses Lind’ vor ihm ihre Äste nieder; Vögel, die in ihrer Hut, singen wehmutsvolle Lieder 9. Mancher eilt des Wegs daher, der gehört die bange Sage, sieht des Helden sterbend Bild und bricht ans in laute Klage. 10. Aber nur von Himmelslust spricht der Greis mit jenen zweien; lächelnd blickt sein Angesicht, als ritt' er zur Lust im Maien. 11. Von dem hohen Dom zu Speier hört man dumpf die Glocken schallen: Ritter, Bürger, zarte Frauen weinend ihm entgegenwallen. 12. In den hohen Kaisersaal ist er rasch noch eingetreten; sitzend dort auf goldnem Stuhl, hört man für das Volk ihn beten. 13. „Reichet mir den heil’gen Leib!" spricht er dann mit bleichem Munde; drauf verjüngt sich sein Gesicht um die mitternächt'ge Stunde. 14. Da auf einmal wird der Saal hell von überird’schem Lichte; und entschlummert sitzt der Held, Himmelsruh' im Angesichte. 15. Glocken dürfen's nicht verkünden, Boten nicht zur Leiche bieten: alle Herzen längs des Rheins fühlen, dass der Held verschieden. 16. Nach dem Dome strömt das Volk, schwarz, unzähligen Gewimmels; der empfing des Helden Leib, seinen Geist — der Dom des Himmels. Justinus Kerner.
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