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1. Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 138

1897 - Wittenberg : Herrosé
Der Herzog wußte, daß fein Generalsnperintendent Storch einen Bruder in London hatte, der Schneider war, und er ließ jenen deshalb fragen, ob er etwas an den Bruder in England mitzugeben habe, er werde es gern besorgen. Der Superintendent benutzte die teilt selige Aufforderung und übersandte einen Brief nebst einem kleinen Päckchen. Einige Tage nach seiner Ankunft in London gedachte der Herzog, der am königlichen Hofe als naher Verwandter sehr in An- spruch genommen war, des mitgenommenen Briefes und schickte ihn samt dem Päckchen mit einem freundlichen Gruße an den Schneider- meister Storch. Der Schneider, hoch erfreut, ließ durch den Kammer diener beim Herzog anfragen, ob er ihm nicht die Aufwartung machen und seinem ehemaligen Landesherrn mündlich für die erwiesene Gnade danken dürfe. Dem Manne eine leere Audienz zu geben, dünkte dem Herzog doch seltsam, und so fiel seine Gutmütigkeit auf den Ausweg, sich bei ihm einen Anzug zu bestellen. Der Schneider ward be schieden. Zur bestimmten Stunde fuhr eine schöne Kutsche vor der Wohnung des Herzogs auf, ein Bedienter öffnete den Schlag, ein sehr seiner Herr stieg ans, und es wurde dem Herzoge, der alles vom osen st er ans gesehen hatte, der zum Maßnehmen entbotene Schneider ge- meldet. Verwundert ließ der Herzog ihn eintreten und sah sich von einem seinen Mann mit ungezwungenem Anstande ehrfurchtsvoll be grüßt, der sich ihm als den Bruder des Generalsnperinteudenten Storch vorstellte. Die ganze Erscheinung gefiel dem Fürsten, er knüpfte ein Gespräch an und erkannte bald, daß er einen geistig gebildeten Mann vor sich habe. Nach längerer Unterhaltung kam der Herzog auf seine Bestellung und wollte Maß nehmen lassen. „Das ist bereits geschehen!" erwiderte der Schneider. Wieso'?" fragte der Herzog betroffen. „Ich habe Ew. Durchlaucht Gestalt mir angesehen," versetzte der Meister, „und mehr bedarf es nicht; ich hafte dafür, daß alles aufs beste passen soll," und hierbei entfernte er sich mit ehr erbietiger Bescheidenheit. Das war dem Herzog noch nicht vorgekommen; aber er erstaunte noch mehr, als am folgenden Morgen der Schneider mit dem fertigen Anzuge vor ihm stand, und alles so paßte, als ob es auf feinen Leib gemacht worden wäre. „Wie ist es möglich," rief der Herzog ans, „daß Sie mit dem Anzüge schon fertig sind?" — „Wenn Ew. Durchlaucht mir die Ehre erweisen wollen, mein Geschäftshaus zu be- sichtigen. so werden Sie sich bald überzeugen, wie es möglich ist. Ich betreibe mein Geschäft fabrikmäßig; jeder meiner Arbeiter hat seine be- stimmte Aufgabe lind so geht das Werk schnell ans einer Hand in die andere. Vielleicht ist es Ew. Durchlaucht nicht unangenehm, eine solche Einrichtung kennen zu lernen." Neugierig nahm der Herzog für den folgcmden Tag die Einladung an und ward fast bis zur Verlegenheit überrascht, als der Meister ihn daneben zum Mittags- mahle einlud, indem er versicherte, daß Seine Durchlaucht eine nicht unwürdige Gesellschaft finden werde. Um die bestimmte Zeit fuhr der Herzog vor der Schneiderwerk-
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