1910 -
Wittenberg
: Herrosé
- Autor: Schanze, W., Schanze, J.
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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Schiffergesellschaften teilen sich in die Nutzung der Forste. Fast
ausschließlich werden nur einzelne, besonders hohe Stämme, nie-
mals größere Flächen geschlagen. Früher verstand keiner besser
als der Schwarzwälder die riesengroßen Tannen und Fichten aus
seinen Gebirgsbächen hinunter zum Rhein und Neckar zu flößen.
Wer einmal gesehen, wie das lange Ungetüm seines Flosses mit
reißender Schnelligkeit dahinschoß, daß man selbst im schnellsten
Laufe nicht zu folgen vermochte, wird das Aufregende begreifen,
welches in einer solchen Wasserfahrt liegt, und sicher hat dieses
Leben auch aus die Entwicklung des Charakters der Talbewohner
einen bedeutenden Einfluß geübt. Jetzt wendet man an allen steilen
Lagen statt des Flößens die sogenannten Rinsen, Schlitten und das
Seilen, auch Schleifen mit Zugvieh an. An den Gehängen sind die
Waldungen mit Schlittwegen versehen, die teils schräg an den Berg-
wänden selbst, teils durch natürliche Mulden und Schluchten an-
gelegt erscheinen. Hierhin wird das Holz aus den Schlägen ge-
tragen, geworfen oder durch sogenannte Fachrinsen, tragbare, aus
Brettern zusammengefügte Rinnen, gebracht. Bei Schnee oder bei
starkem Gefälle rutscht der beladene Schlitten auch auf dem nackten
Boden ohne weitere Vorrichtung dem lenkenden Holzhauer nach.
Wo oberhalb hoher und steiler Berghalden eine größere Menge
Brennholz auf einen Platz zusammengebracht werden kann. wird
es durch „Rinsen" zu Tal geschasst. Eine solche Rinse bringt das
Holz aufwärts von dem Jagenhause in der Nähe des Höllentals
über einen Höhenunterschied von 700 m herab.
Der Rhein führt die mächtigen Flöße des Schwarzwaldes
seinem Mündungslande zu. Mit breitkrempigem Hute, roter Weste
und weißen Hemdsärmeln stehen die kräftigen Gebirgssöhne in
langer Reihe aus dem schwimmenden Walde und lassen ihn in takt-
mäßigem Ruderschlage den Strom hinabgleiten, um reichen Städten
feste Unterlage, schwerfälligen Segeln Stütze zu gewähren, Meere
zu befahren und fremde Länder zu beschauen. Seit Jahrhunderten
bildet der Schwarzwald das unerschöpfliche Holzlager der Nieder-
lande.
Neben der Flößarbeit gewährt den Schwarzwäldern das
Kohlen des Holzes, das Teerschwelen und Harzreißen Beschäftigung
und Unterhalt, und wer kennt nicht die Schwarzwälder Holz-
schnitzereien, die von der Kunstfertigkeit der Bewohner ein redendes
Zeugnis ablegen?
Im Schwarzwalde selbst hat der Waldreichtum eine ausgebrei-
tete H o l z i n d u st r i e hervorgerufen; da fertigt man Bürsten,
Kübel, allerlei Küchengerätschaften, Holzschuhe, Schachieln und
geschnitzte Figuren. Das hackt und bohrt und klappert, wenn man
durch den Wald fährt, daß man meint, in die Werkstätte unter-
irdischer Gnomen gekommen zu sein. Glashütten und Hammer-
schmieden trifft man in jedem Waldbezirke. Die eigentümlichste
Industrie aber, die den Namen des Schwarzwaldes und seines
geschickten und fleißigen Volkes fast über die ganze Welt getragen
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