1910 -
Wittenberg
: Herrosé
- Autor: Schanze, W., Schanze, J.
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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verwandelt sie in ein geringhaltiges Shoddy und fabriziert
Mohärs, wohlfeile Arten von Matrosentüchern, Paletots u .f. w.
daraus. Enthält doch bisweilen Wolle 30—60 °/0 alte Ware, und es
bestehen ordinäre Gewebe oft nur aus letzterer. Auch die Abfälle
der Kunstwolle finden wieder Verwendung für Tapezierer, welche
dieselben als Polstermaterial benutzen, und der feine Wollftaub
schließlich stellt ein gutes Düngemittel dar, das wegen feines Ge-
haltes an Stickstoff sehr befruchtende Kraft enthält. Sollen doch
lvi kg wollene Lumpen 50 kg Bauernhof-Dünger ersetzen!
Ferner liefern uns die Wollwäschereien nicht zu unter-
schätzende Abfallstoffe. Denn aus dem Wollschweißfette, das aus
den Wollwaschwäsfern dieser Etablissements mittels Säuren ab-
geschieden wird, fabriziert man ordinäre Seifenforten; durch
Destillation mit überhitztem Wafserdampfe jedoch liefert dieses Woll-
fett feste Fettsäuren, die in der Kerzenfabrikation Verwendung
finden. Stearinkerzenfabriken und Seifensiedereien liefern durch
Verseifung von Fetten eine große Menge Glyzerin, welches zahl-
reiche Verwendungen findet.
Und die mit der Seifenfabrikation eng verbundene Parfümerie-
fabrikation, erzeugt diese nicht in vielen Fällen gerade aus den oft
stinkendsten Stoffen jene herrlichen Gerüche? Gibt nicht das ab-
scheulich riechende Fuselöl, mit anderen Chemikalien versetzt und
destilliert die herrlich riechenden Öle, wie das Birnöl, Äpfelöl,
Ananasöl, die zur Herstellung der Fruchtäther so oft Vertvendung
finden? Hier berühren sich im strengsten Sinne des Wortes die
entgegengesetzten Dinge: einer der widerwärtigsten Stinkftoffe wird
in den Adelstand der Wohlgevüche erhoben!
Bei den landwirtschaftlichen Gewerben finden die Preßlinge
der Zuckerfabriken, die Treber und Malzkeime der Brauereien
und die Schlempe der Branntweinbrennereien als Futtermaterial
für das Vieh Verwertung; aus den Weintrestern erhält man den
Tresterbranntwein, und die Weinhefe liefert das Weinbeer-Kognak-
öl, jenes kostbare Öl, das, in kleinen Mengen dem Branntwein
zugesetzt, diesem den eigentümlichen Geruch und Geschmack des
Kognaks verleiht, gleichwie es auch bei der Darstellung der Frucht-
äther und zur Herstellung „echten" Bordeaux aus ungarischen
Weinen nicht selten eine große Rolle spielt.
Aus der Melasse des Rübenzuckers erzeugt man Branntwein,
aus der Melasse des Zuckerrohrs Rum; aus Sägespänen gewinnt
man Oxalsäure; aus den Abfällen der Heringssalzereien und aus
Abfällen der Stockfische fertigt man den Fischguano, ein wert-
volles Düngemittel.
Vor allem aber sei des wichtigsten Abfallstoffes bei der
Gasbereitung, des Steinkohlenteers, gedacht. Dieses Produkt, an
sich von wenig Gebrauchswert, ist wegen der von ihm zu ge-
winnenden Destillationsprodukte, auf die sich eine große Farben-
fabrikation und verschiedene andere neue Industrien gründen,
geradezu epochemachend geworden. Gewinnt man doch ans diesem
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