1895 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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und als nun alles zur Labung des neuen Hausgenossen bereit, wünscht
sie ihm eine sanfte Ruhe und geht mit ihrem Gatten in die anstoßende
Kammer zu den schlafenden Kleinen. Hier, in andachtsvollem Gebete
vereinigt, danken sie Gott für den Segen des Tages, befehlen seiner
gnädigen Obhut sich und die Ihrigen und erflehen Labung und himmlischen
Frieden für des Müllers zerrüttetes Gemüt. Alsbald umfängt sie ein
sanfter Schlaf.
Kur wenige Stunden erst hatten sie geschlummert, da weckte sie ein
heftiges Pochen an der Kammerthür. „Der Müller ist" — so ruft ein
Jägerbursche herein — „von der grässlichen Cholera befallen. — Erlaubt,
Herr, dass wir ihn eiligst hinausschaffen, damit nicht auch Ihr mit Weib
und Kindern verderbt!"
„Mit nichten! da sei Gott vor!" erwiderte schnell entschlossen der
Förster. „Wartet des Kranken, wie ich Euch gelehrt; gleich bin ich selbst da!"
Und so nimmt er die Kinder vom Lager, trägt sie hinauf in die
Bodenkammer und eilt hinab zu dem Kranken. Bald folgt ihm die Gattin.
Aber welch entsetzlicher, herzzerreißender Anblick bietet sich hier dar!
Von den heftigsten Krämpfen gefoltert, windet und wälzt sich der Müller
auf seinem Lager, schon verrät sein ganzer Leib alle gräßlichen Zeichen
der furchtbar zerstörenden Krankheit. Indessen noch ein anderer Schmerz,
noch ein gewaltsamerer Kampf scheint in der Brust des Mannes zu sein.
Denn je mehr der Förster und seine Gattin in emsiger Liebe um ihn
bemüht sind, desto heftiger bebt er vor ihrem Anblick zurück. Bald
birgt er sein Gesicht in die Kissen, bald schlägt er mit geballten Fäusten
die Stirn, während ein gräßliches Lachen um die blauen Lippen zuckt.
Jetzt fährt er auf vom Lager und zwingt die heisere Stimme zu lautem
Rufe: „Rührt mich nicht an, werft mich hinaus den Krähen und Wölfen
zum Fraße! — Halt ein, du schrecklicher Würgengel, reiß mich nicht
hinab in die ewigen Martern der Hölle, erst muß ich noch reden! Ein
Ungeheuer, wie in der Wüste nicht seinesgleichen, beherbergt und pflegt
Ihr. Wisset, die verpestende Krankheit im Leibe, rannte ich her, rache-
dürstend — durch meinen Tod Euch alle zu verderben! Doch jetzt! —
o martervolle Pein! o du furchtbarer Richter! ist denn kein Erbarmen vor dir?"
Und ganz erschöpft — betäubt — sinkt der Müller auf sein Lager.
Mit gefalteten Händen, den thränenschweren Blick zum Himmel gerichtet,
steht der Förster da und sein Weib. Aber der ewige Richter, der Herr
des Lebens und der Verdammnis, — er winkt dem Todesenge], daß er
vorübergehe an dem Hause des Gerechten. In tiefen Schlaf sinkt der
Kranke, und heftiger Schweiß dringt aus allen seinen Poren. Als er
erwacht, sieht er seine wackeren Wirte in liebevoller Thätigkeit um sich.
In seinem Leben zum ersten Male betet jetzt sein Herz. Dann drückt er
die Hände der Edlen an seine Brust, an seine Lippen, und die Thränen
der Versöhnung, des Dankes und der Liebe fließen reichlich. Nach
wenigen Tagen verlässt der Müller sein Krankenlager, genesen, gerettet
für das Himmelreich. j F Sluyraer
11. Untreue schlägt den eigenen Kerrn.
Als in dem Kriege zwischen Frankreich und Preußen ein Teil des französischen
Heeres in Schlesien einrückte, waren anch Truppen vom rheinischen Bundes-
heer dabei, und ein bayerischer oder württembergischer Offizier fand bei einem