Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Teil 1 - S. 13

1895 - Essen : Bädeker
13 wissen," sagte ein Freund, warum du gerade diesen Knaben, der doch keinen einzigen Empfehlungsbrief hatte, bevorzugtest?" — „Du irrst", lautete die Antwort; „dieser Knabe hat viele Empfehlungen. Er putzte seine Füße ab, ehe er ins Zinuner trat, und machte die Thür zu; er ist daher sorgfältig. Er gab ohne Besinnen feinen Stuhl jenem alten lahmen Manne, was seine Herzensgüte und Aufmerksamkeit zeigt. Er nahm seine Mütze ab, als er herein kam, und antwortete auf meine Frage schnell und sicher; er ist also höflich und hat Lebensart. Er hob das Buch auf, welches ich absichtlich auf den Boden gelegt hatte, während alle übrigen dasselbe zur Seite stießen oder darüber stolperten. Er wartete ruhig und drängte sich nicht heran, — ein gutes Zeugnis für sein anständiges Benehmen. Ich bemerkte ferner, daß sein Rock gut ausgebürstet und seine Hände und sein Gesicht rein waren. Nennst du dies alles keinen Empfehlungsbrief? Ich gebe mehr darauf, was ich von einem Menschen weiß, nachdem ich ihn zehn Minuten lang gesehen, als auf das, was in schön klingenden Empfehlungsbriefen geschrieben steht." Magdcb. Ztg. 13. 1-6i' Eintritt in das Geschäft. Anton trat mit klopfendem Herzen in den Hausflur und lockerte den Brief seines Vaters in der Brusttasche. Er war sehr kleinmütig geworden, und sein Kopf war so schwer, dass er sich am liebsten einen Augenblick hingesetzt hätte, um auszuruhen. Aber wie Ruhe sah es in dem Hause nicht aus. Vor der Thür stand ein grosser Frachtwagen, in dem Hause standen mächtige Fässer und Ballen, und riesengrosse, breitschultrige Männer mit Lederschürzen und kurzen Haken im Gürtel trugen Leiterbäume, klirrten mit Ketten, rollten die Fässer und schnürten dicke Stricke durch künst- liche Knoten zusammen. Dazwischen eilten Handlungsgehülfen, die Feder hinter dem Ohr, Papier in der Hand, ab und zu, und Fuhrleute in blauen Kitteln nahmen die Papiere, die Ballen und die Fässer in Empfang mit der geschäftlichen Würde, welche die Thätigkeit aller verantwortlichen Menschen zu bezeichnen pflegt. Hier war kein Ort der Ruhe, Anton stiefs an einen Ballen, fiel beinahe über einen Hebebaum und wurde durch das „Vorgesehen!“, welches ihm zwei Männer mit Lederschürzen zuriefen, noch mit Mühe vor dem Schicksale bewahrt, unter einer grossen Öltonne plattgedrückt zu werden. Im Mittelpunkte der Bewegung, gleichsam als Sonne, um welche sich die Fässer, die Arbeiter und Fuhrleute herumdrehten, stand ein junger Herr aus dem Geschäft, ein Herr mit entschlossener Miene und kurzen Worten, welcher als Zeichen seiner Herrschaft einen grossen schwarzen Pinsel in der Hand hielt, mit dem er bald riesige Hieroglyphen auf die Ballen malte, bald den Aufladern ihre Bewegungen vorschrieb. Diesen Herrn fragte Anton mit klangloser Stimme nach dem Herrn des Geschäfts und wurde durch eine kurze Bewegung des Pinselstiels in den hinteren Teil des Hausflurs nach dem Kontor gewiesen. Zögernd trat Anton an die Thür, es kostete ihn einen grossen Entschluss, den Griff mit der Hand zu drehen, und als die Thür geräuschlos aufging und er in das Dämmer- licht der grossen Arbeitsstube sah, da wurde ihm so angst, dass er kaum über die Schwelle schreiten konnte. Sein Eintritt machte wenig Aussehen. Ein halbes Dutzend Schreiber fuhren hastig mit den Federn über die blauen Briefbogen, um noch die letzten Züge vor dem Schlüsse des Geschäfts
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer