1895 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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Bier kostete, und dass er einmal sogar Schützenkönig ward, kam ihm trotz
des erschossenen Preises teuer zu stehen. Er galt als bester Kegler,.
Turner und Schütze, was seiner Eitelkeit sehr schmeichelte; er merkte
aber nicht rechtzeitig, dass er darüber auch zum grössten Müßiggänger,
Spieler und — Säufer wurde.
Seine gute, arme Frau härmte sich; sie bat, flehte, weinte, alles
umsonst, und wenn sie gar mit ihm zankte oder ihm die gerechtesten
Vorwürfe über solch wüstes Leben machte, so glaubte er es keinen
Nachmittag und Abend mehr in dem sonst so glücklichen Hause aushalten
zu können; vor Mitternacht kam er selten heim.
Mit der Arbeit ging es natürlich rasch zurück; die besten Kunden
hatten ihn schon längst verlassen, und an den Zechgenossen hatte er sich
eine sehr unsichere Kundschaft erworben. Kein ordentlicher Gesell hielt
es bei ihm aus, und der Lehrjunge trieb dumme Streiche und brannte
schliesslich bei Nacht und Nebel durch.
Es war das der Anfang vom Ende. Die Frau bekam die Schwind-
sucht und starb in ihrem Jammer, kaum 30 Jahre alt. Drei Kinder
standen an ihrem Totenbette, ein viertes lag hülflos in den Windeln.
Eine Zeitlang schien es, als ob das Unglück, wie er es nannte, ihn
aus seinem wüsten Leben aufgeschreckt und zur Einkehr gebracht hätte.
Man sah ihn einige Wochen in keinem Wirtshause, aber auch nicht in
der Kirche. Um sich zu zerstreuen und sich im Verkehr mit anderen zu
trösten, fing er dann wieder an, den Kegelklub zu besuchen. Um seinen
Kummer und die Stimme des Gewissens zu ersticken, wurde er bald wieder
ein Stammgast nach alter-Weise. Das hielt er aber nicht lange mehr
aus, da sein Besitztum schon ganz verschuldet und seine körperliche wie
die geistige Kraft schon erschöpft war. Die Gemeinde mußte sich seiner vier
unglücklichen Kinder erbarmen, um die sich sonst niemand kümmerte und
die daheim nichts mehr zu beißen und zu brechen fanden; sie erhielten als
sogenannte Pflegekinder eine armselige Verpflegung bei herzlosen Menschen.
Ein Jahr nach dem Tode der Mutter brach bei dem Vater der Wahnsinn
aus, und er mußte ins Irrenhaus gebracht werden, wo er bald seinen Tod
fand, ohne eins von seinen Kindern wieder zu sehen. Das ist die Geschichte
von Tausenden! Wie man's treibt, so geht’s! Und wer da steht, der
Sehe Zu, daß er nicht lalle! Frei nach Meister Konrads Werkstatt, 1885.
27. Die H»feile.
Als ich ein Knabe von sieben Jahren war, füllten mir einst an einem
Feiertage meine Verwandten die Taschen mit Kupfermünzen. Ich wußte nun
nichts Eiligeres zu thun, als damit nach einem Kaufladen zu gehen, in dem man
Kinderspielwaren verkaufte. Schon auf dem Wege dahin begegnete ich aber
einem andern Knaben mit einer Pfeife, deren Ton mir so wohl gefiel, daß ich
ihm freiwillig all mein Geld dafür bot. Vergnügt über meinen Handel eilte
ich wieder heim und durchzog pfeifend das ganze Haus; denn meine Pfeife
machte mir ebensoviel Freude, als ich damit die ganze Familie belästigte. Als
meine Brüder, Schwestern, Vettern und Basen von meinem Handel hörten,
sagten sie mir, daß ich viermal mehr für die Pfeife gegeben hätte, als sie wert
sei. Dies machte mich nun erst aufmerksam darauf, wie viele schöne Sachen
ich für das übrige Geld hätte kaufen können, und da sie sich auch noch über
meine Thorheit lustig machten, so fing ich vor Arger an zu weinen. Jetzt machte
mir die Reue mehr Verdruß, als mir die Pfeife Vergnügen gemacht hatte.