1895 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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Im nahen Zusammenhange mit der schiefen Ebene steht die Schraube.
Die Last wirkt bei derselben in der Richtung der Achse der Schraubenspindel,
die Kraft aber an dem Ende eines Hebelarmes. Wird dieser einmal umge-
dreht, so wird die Last um den Abstand zweier Schraubengänge fortbewegt.
Die Kraft verhält sich daher zur Last, wie der Abstand zweier
Schraubengänge zu dem Umfange des Kreises, welchen bei der
Umdrehung das Ende des Hebelarmes durchläuft. Wenn nun auch
die wirkliche Leistung hinter der so berechneten Wirkung wegen der sehr großen
Reibung um ein beträchtliches zurückbleibt, so gehört doch die Schraube zu
denjenigen mechanischen Vorrichtungen, durch welche ein besonders großer
Gewinn an Kraft erzielt wird.
Die im vorhergehenden behandelten Maschinen, der Hebel, die Rolle,
die schiefe Ebene und die Schraube, werden einfache Maschinen genannt.
Alle anderen Maschinen sind entweder auf dieselbe zurückführbar oder aus
ihnen zusammengesetzt. Für alle Maschinen ohne Ausnahme aber gilt das
Gesetz: Was an Kraft gewonnen wird, ebensoviel geht am Wege
verloren. Nach Dorn und Koppe.
71. I)er gotische Stil.
überall, wo Völker eine bleibende Stätte aufgeschlagen, ein dauerndes
Heim errichtet, finden sich auch Reste ihrer Bauweise, die je nach deren ge-
ringerem oder höheren: Kulturzustande entweder auf der niedrigen Stufe der
Zweck- und Nützlichkeitsbauten stehen blieb, oder bei höherer Ausbildung zu
einer organisch entwickelten Baukunst sich gestaltete.
Diese Neste sind häufig die beredtsten Zeugen der Geschichte dieser Völker
und spiegeln aufs treueste das Leben und Treiben derselben ab. Oft, und
in den späteren Zeiten meist, machten sich die in der Kulturentwickelung be-
griffenen Völker die Errungenschaften der Baukunst ihrer Vorgänger oder
benachbarten Völkerstämme mit zu eigen, bildeten sie in ihrer Weise um, und
vervollkommneten dieselben nach dem Stande ihres eigenen Wissens und Könnens.
Auf diese Weise ist das Bauwesen ein in stetiger Umbildung und Vervoll-
konnnnung begriffenes Erzeugnis der menschlichen Hand und des Geistes. Zunächst
hat das Bauwesen die Ausgabe, uns Schutz vor den nachteiligen Einwirkungen
der Naturkräfte zu gewähren, uns Wohnungen zu verschaffen, die Verkehrswege
zu Wasser und zu Land herzustellen, Wagen und Schiffe zu bauen rc. Weiterhin
als Kunst fällt ihm die Aufgabe zu, das an sich zunächst bloß Nützliche und
Zweckentsprechende wohlgefällig und schön zu gestalten; ihm durch die Wahl
der Form einen höheren Ausdruck, gewisserinaßen eine Art Sprache zu leihen,
mittelst deren das Bauwerk uns unmittelbar seine Bestimmung erkennen läßt.
Diese vielseitigen Anforderungen verursachten mit der fortschreitenden
Entwickelung von Industrie und Kunst allmählich eine Scheidung der Baukunst
im engeren Sinne von demjenigen Teile des Bauwesens, welcher sich vorzugs-
weise mit den Nützlichkeitsbauten beschäftigte.
Während diese letztere Seite des Bauwesens ihre höchsten Triumphe in
den kühnsten Brücken, mit leichtem Gitterwerke über die größten Flüsse
gespannt, feiert, stellt sich die Baukunst ihre würdigste Aufgabe in der
Errichtung der dem Gottesdienst gewidmeten Bauwerke, als Tempel und
Kirchen mit ihren Altären. In ihrer Form drückt sich der Geist eines Volkes
deutlich ans, an ihnen erkennt man den Stand seines künstlerischen Könnens
und Wissens, seiner höchsten Leistungen und Fertigkeiten.