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1. Teil 1 - S. 147

1895 - Essen : Bädeker
147 den Staat, auf seine Anordnungen und Einrichtungen. Sie sind über- zeugt: ist der nur vernichtet, d. h. Krone und Thron genommen, die Obrigkeit verjagt, der letzte Polizeidiener vertrieben, dann haben sie gewonnenes Spiel. Schliesslich aber fürchten sie doch noch eins: den gesunden und frommen Sinn des Volkes. Den hat es aus der heiligen Schrift erworben und gewonnen. Aus derselben weiss es: „Arme und Reiche müssen mit- einander sein, und Gott hat sie alle gemacht! — Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele. — Die Obrigkeit ist Gottes Dienerin! — Wer sich wider die Obrigkeit setzet, widerstrebet Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden ein Urteil über sich empfangenl“ Was thun die Sozialisten aber dagegen? Sie lehren einfach, einen Gott im Himmel gebe es nicht, eine lebendige Seele habe der Mensch nicht, und sei er tot, so sei er ein Stück Aas und höchstens noch dazu nütze, das Feld zu düngen. Die Kirchen seien nur da, das Volk in Dummheit zu erhalten, und die Geistlichkeit, um die Menschen knechten zu helfen. Du musst aber nicht glauben, lieber Fritz, dass diese Leute den Auf- ruhr gegen Gott und Menschen so offen predigen. Ihre Führer sind eben Wölfe in Schafskleidern. Mit unserem Herrgott machen sie freilich kürzern Prozess, weil der die Narren laufen lässt. Vorsichtig aber müssen sie schon sein, wenn es sich um Empörung gegen die Obrigkeit handelt. Da könnte ihnen leicht auf die Finger geklopft werden. Darum sagen sie auch, dass sie mit Aufruhr und Gewalt weder gleichmachen noch teilen wollen. Sie meinen, alles werde sich von selbst machen. Wie sie solches denken, hat kürzlich einer ihrer Führer beschrieben. Er meint etwa so: Die Zeiten sind spottschlecht. Es werden immer mehr Leute verarmen und die Reichen immer reicher werden. Das werde so fortgehen, bis das Volk verarmt und der ungeheuerste Reichtum in den Händen weniger Menschen sei. Diese müssen ihre Schätze gutwillig herausgeben oder dadurch zu Grunde gehen, dass sie expropriiert werden. Fritz, expropriiert sagt der Mann. Es ist, als schäme er sich, das, was er meint, gerade und deutsch herauszusagen. Expropriieren heisst, einem Menschen sein Geld oder Gut mit Gewalt und Zwang abnehmen. Siehst Du, da ist doch der Aufruhr, der Raub und vielleicht auch — der Mord. So geduldig, wie sich die Sozialisten anstellen, sind sie aber nicht. Das Abwarten haben sie eben nicht gelernt. Wie die Soldaten durch das Manöver auf den Krieg geübt werden, so haben die Sozialisten be- reits den Anfang gemacht, ihre Mannschaften in kleinen Kämpfen zu üben. Sie haben die sogenannten Streiks, das sind die allgemeinen Arbeitseinstellungen, erfunden. Die Gesellen in einer Stadt oder die Ar- beiter in einer Fabrik erhalten von Berlin oder Hamburg aus die Weisung, nicht unter so und so viel Mark Tagelohn zu arbeiten. Den so fest- gesetzten Preis nennen sie Minimallohn. Zu gleicher Zeit soll die Arbeit um einige Stunden täglich verkürzt werden. Also weniger Arbeit und mehr Geld! Will oder kann der Brotherr darauf nicht eingehen, so wird von allen Arbeitern zu gleicher Zeit die Arbeit niedergelegt. Der Kampf, wenn auch nur im kleinen, ist da. Es handelt sich nun darum, 10*
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