1895 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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Ungenügender Weije ausgenutzt wird. Tausende von sonst wirtschaftlich
tüchtigen Menschen büßen diesen Leichtsinn mit ihrem Verderben.
Ein Brand kann in wenigen Stunden das ganze im Laufe von Jahr-
zehnten mühsam angesammelte Vermögen, die wesentlichste Erwerbsquelle
ganzer Familien zerstören. Man kann sich mit kleinen, leicht aufzubringenden
Zahlungen an eine Feuerversicherungsgesellschaft gegen diese Gefahr
sichern, und doch thun es viele Leute nicht. Sie sorgen schlecht für sich und
die Ihrigen, wenn sie das kleine Opfer der Versicherungsgebühr nicht bringen,
das vor der Gefahr des Unglücks und der Verarmung so wesentlich schützt.
Daß die Landwirte ihre Saaten gegen die Gefahr des Hagels versichern,
gehört heutzutage noch zu den Ausnahmen, und die Viehversicherung ist noch
in den ersten Anfängen. Für diejenigen, die kein Vermögen besitzen, die ihren
Erwerb lediglich aus ihrer Arbeit ziehen, ist Vorsicht noch mehr geboten.
Ihre Arbeitskraft ist ihr einziges Kapital; wird sie durch irgend einen Unfall
gestört, so ist damit ihr eigenes, wie das Bestehen derjenigen, die mit von
ihrem Erwerbe leben, vernichtet. Es muß daher geradezu ein Verbrechen
gegen die Familie genannt werden, wenn der Ernährer sich und die Seinen
nicht gegen einen solchen Fall sichert. Die Versicherung für den Todesfall
ist überall leicht möglich durch den Einkauf in eine Lebensversicherungs-
gesellschaft, während die sich mehr und mehr entwickelnden Hülsskaffen
dem Ernährer Gelegenheit gewähren, Vorsorge zu treffen für Zeiten der
Erwerbsunfähigkeit durch Krankheit und Gebrechen. Kalle.
92. Wirtschaftliche Tugenden.
a. Ehrlichkeit.
"Wie im ganzen Leben des Menschen, so müssen auch im Erwerbs-
leben die Grundsätze der Sittlichkeit herrschen. So selbstverständlich
das erscheint, so wird es doch oft vergessen, ja wohl gar von manchen
bestritten. Da wird die „Wahrhaftigkeit“ als unanwendbar beiseite ge-
schoben, um der Lüge und dem Betrüge Platz zu machen, da wird
gewissenlos gearbeitet, um einen grösseren Gewinn zu haben, da werden
Versprechungen gegeben, aber nicht gehalten u. s. w^ Wollten alle
einer solchen unsittlichen Auffassung des Erwerbslebens anhängen, so
würde schliesslich der Erfolg jeder wirtschaftlichen Thätigkeit in Frage
gestellt und die Wirtschaft des ganzen Volkes zurückgehen. Holland
und England hätten niemals zu so hoher wirtschaftlicher Blüte gelangen
können, wenn dort nicht von altersher die Geschäftswelt „reell“, d. h.
wahr und gewissenhaft, gewesen wäre. Es kommt ja wohl einmal vor,
dass ein Mensch Erfolge hat, trotzdem dass er unsittlich wirtschaftet,
aber die Fälle, dass ein leichtfertiger Geschäftsmann vorwärts kommt, sind
ganz seltene Ausnahmen, die meisten gehen eben zu Grunde. Es wäre
auch wunderbar, wenn dem nicht so wäre; der Unerfahrene kann wohl
einmal betrogen werden, er wird sich aber, wenn er zur Erkenntnis des
Betruges gekommen ist, vom Betrüger abwenden, und so geht dessen
Geschäft, anstatt dass es sich in dem Masse, als es bekannter wird,
erweitert, immer mehr und mehr zurück. Jene Gewerbtreibenden, die
sich unredlicher Mittel bedienen, um einen ausserordentlichen Gewinn zu
machen oder die ehrliche Mitbewerbung zu verdrängen, jene Bäcker, die
Schürmann u. Windmöller, Lehr- u. Leseb. f. Fortbildungs- u. Gcwerbesch. I. 12