1895 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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Mensch durch seinen Atem und seine Ausdünstung in einer einzigen Stunde
einen Raum von 20 bis 30 Kubikmeter und lässt nach den 8 Stunden
der Schlafenszeit selbst in einem Saale von 160 bis 240 Kubikmeter
Inhalt noch die Kennzeichen verunreinigter Luft zurück. Das ist einfach
aus der bekannten Menge der stündlich ausgeschiedenen Kohlensäure zu
berechnen. Es atmet nämlich ein Erwachsener stündlich ungefähr 20 Liter
Kohlensäure aus und in 8 Stunden 160. Nehmen wir an, das Zimmer hätte
vorher eine ausserordentlich reine Luft enthalten, etwa mit 5/ioooo Kohlen-
säure, so würde es bei 200 Kubikmeter Raum nach 8 Stunden durch
den Atem des Menschen noch 8/ioooo Kohlensäure mehr gewonnen haben,
zusammen also jetzt 13/ioooo besitzen; das ist aber schon zu viel, da in
einer guten Zimmerluft der Kohlensäuregehalt niemals in einem grösseren
Verhältnisse vorhanden ist, als in dem von 1 : 1000. Glücklicherweise
vollzieht sich nun etwas Lüftung, etwas Luftaustausch auch ohne unser
Zuthun in unseren Wohnungen unaufhörlich von selbst durch die Fugen
und Spalten in Fenstern und Thüren, ja selbst durch die gesamten Wände,
wie sich dies durch Versuche nachweisen lässt. Wenn nicht auf diese
Weise die Natur für den Zutritt der frischen Luft in den Wohnungen
sorgte, würden noch mehr trübe Erscheinungen durch die Lustver-
schlechterung herbeigeführt werden. Ein weiterer natürlicher Luftwechsel
hängt mit der Ofenheizung zusammen. In einem luftdicht abgeschlossenen
Raume würde kein Feuer im Ofen brennen. Der Luftzug im Ofen
nämlich, der das Feuer anfacht und nährt, stellt sich dadurch her, dass
fortwährend die kältere, schwerere Luft aus der Stube die Stelle der
im Schornstein aufsteigenden heissen Luft einnimmt. Die Stubenluft
aber würde nicht in Bewegung kommen, wenn sie nicht selber von den
ausserhalb der Stube befindlichen Luftmassen gedrückt und gedrängt würde.
Wenn das Feuer im Ofen nicht recht brennen will, so hilft oft das Öffnen
der Stubenthüre. Das kann nur so erklärt werden, dass jetzt die Stuben-
luft deshalb um so leichter und schneller in den Ofen hineindringt, weil
sie mit der äusseren Luft in freierer Verbindung steht. Wir ersehen aus
dem Vorhergehenden gleichzeitig, dass die Ofenheizung in doppelter Richtung
für die Lüftung wirkt und ein kräftiges Mittel der Lufterneuerung in unseren
Wohnungen ist. Einerseits führt sie Temperaturunterschiede herbei, welche
schon für sich den natürlichen Luftwechsel fördern, andererseits entfernt sie
verbrauchte Stubenluft nach dem Schornstein, indem sie damit ebenfalls
ein vermehrtes Einströmen äusserer Luftmassen verursacht. Für die Winter-
tage und wenn geheizt wird, vollzieht sich ein Luftaustausch in unseren
Wohnungen von selber, welcher grosse, reinliche, von wenigen gesunden
Personen bewohnte Zimmer genügend mit frischer Luft versehen kann.
Schlimmer schon steht es mit der natürlichen Lüftung in den Winter-
nächten, wenn der Ofen erkaltet, und Fenster und Thüren fester geschlossen
bleiben. Noch weniger genügt der natürliche Luftwechsel durch Fugen
und Poren allein für den Sommer und am wenigsten in den Sommer-
nächten, und es ist geradezu entsetzlich, mit welcher Luft sich sehr viele
Menschen in ihren Schlafstuben während der herrlichsten Sommernächte
begnügen. Wir bedürfen daher auch für gewöhnliche Verhältnisse noch
anderer künstlicher Lüftungsarten. Die einfachste ist das Öffnen des
Fensters, und dies kann hei milder Witterung, bei Nacht, wie bei Tage,
nie zu viel geschehen. Will oder kann man ganze Fensterflügel nicht öffnen,
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