1895 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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so öffne man kleine Abschnitte, die in der Form kleiner Thürchen oder
Guillotinen, oder jalousieenartig, oder ähnlich in den Fenstern angebracht
sind. Es können ferner statt der Glasscheiben sogenannte Fliegenfenster
eingesetzt oder bei geöffneten Fenstern Markisen, Stab-Rouleaux oder
Jalousiecn herabgelassen sein. Die beliebten Windrädchen in den Fenstern
wirken schwächer als gleich weite einfache Öffnungen, weil die Drehung
des Rädchens den Lustdurchtritt nicht vermehrt, sondern vielmehr auf
Kosten des letzteren stattfindet. Ebenso ist die Lüftung, aber auch die
Kälte des Luftzuges, gemindert, wenn eine nach aussen führende Öffnung
mit Gaze, gewebt oder von Draht, oder sonst einem durchgängigen, porösen
Stoffe bedeckt wird. Allein für den Winter ist auch die Lüftung durch
das Öffnen der Fenster, wo Menschen anwesend sind, nur zeitweise und
in beschränktem Masse anwendbar. Die kalte Luft dringt zu stürmisch
herein, und es umweht uns ein Eishauch, der eine zu starke Abkühlung
hervorruft. Eine starke einseitige Abkühlung des Körpers ist aber durchaus
gesundheitswidrig. Eher erträgt man den kalten Luftzug, wenn man bis
an die Ohren wohlbedeckt im warmen Bette liegt. Bekanntlich giebt es
ja auch Menschen genug, die selbst im Winter bei offenem Fenster schlafen.
Sicherlich schickt sich aber auch in dieser Beziehung nicht eines für alle
Personen und für alle Verhältnisse: eine scharfe ostpreufsische Winter-
kälte und Menschen, die sich nachts gelegentlich entblößen, taugen für
diesen, übrigens niemals unbedenklichen, Versuch nicht. Ein dauernder
künstlicher Luftwechsel während des Winters soll immer von dem Grund-
satz ausgehen, dass nur bereits erwärmte Aufsenluft zugeführt werden muss
und zwar dadurch, dass die Aufsenluft langsam durch die Poren der
Wände streicht und auf diesem Wege eine höhere Temperatur annimmt.
Bringt man an der Wand eine Öffnung an, welche in den Schornstein
oder in einen irgendwie, sei es durch die Nähe von Heizröhren oder durch
eine Gasflamme erwärmten Luftabführungs-Schacht führt; so vermehrt diese
Einrichtung den natürlichen Luftwechsel, ähnlich wie die Ofenheizung. Die
Zimmerlust wird nämlich durch die nachdrückende Aufsenluft in die Öffnung
und durch diese zum Dache hinausgedrängt. Jedes Öffnen der Thüre
verstärkt diesen Zug um ein bedeutendes. Genau ebenso wirkt ja auch
das Öffnen der Ofenthüre, wenn das Feuer bereits ausgebrannt ist, ein
gebräuchliches Mittel, von Tabaksrauch erfüllte Zimmer etwas zu lüften.
Als dritte und zugleich wichtigste Bedingung für Reinhaltung der
Luft muss die Reinlichkeit betont werden. Ja! Reinlichkeit in der
Wohnung, aber nicht eine Reinlichkeit, wo allzuviel Wasser verbraucht,
aber auch nicht die Reinlichkeit, wo zu wenig Wasser benutzt wird.
Eine Wasservergeudung bei der Reinigung der Wohnung macht die Luft
zu feucht, und allzuviel Feuchtigkeit in der Wohnung ist schädlich. Aber
die Stube darf auch nicht gefegt werden, dass Staubwolken umherwirbeln.
Denn der Staub, eine bunte Sammlung von Fäserchen von Kleidern, von
Kohlenstückchen, aus Rufs und Qualm, von Stückchen von Pflanzenstoffen
u. dergl. ist der Gesundheit sehr schädlich. Ganz besondere Vorsicht
verlangt die Abtrittsanlage, damit die Wohnungslust nicht von dieser oft
sehr giftigen Quelle aus verunreinigt werde. Zur Zerstörung der gefähr-
lichen Keime der Aborte sind öfter Desinfektionsmittel, wie Karbolsäure,
Chlorkalk u. s. w., auch trockene Erde anzuwenden.