1895 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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und die zitternde Hand nicht mehr die Zweigroschenstücke zu werfen vermochte.
Und der Stolz seines Lebens war, daß der König auch ihn persönlich kannte,
und wenn er einmal durch den Ort fuhr, wahrend des Umspannens schweigend
ans seinen großen Augen nach ihm hinsah, oder, wenn er gnädig war, ein
weinig gegen ihn das Haupt neigte. Wie er auf den Schlachtfeldern seinem
wilden Adel gelehrt hatte, daß es höchste Ehre sei, für das Vaterland zu
sterben, so drückte sein unermüdliches, pflichtgetreues Sorgen auch dem kleinsten
seiner Diener im entlegensten Grenzorte den großen Gedanken in die Seele,
daß er zuerst zum Besten seines Königs und des Landes zu leben und zu
arbeiten habe.
Auch als schon hohes Alter den Rücken krümmte, ließ Friedrich der Große
Ln seiner Thätigkeit nicht nach. Mit Recht verehrten und liebten ihn seine
Unterthanen wie einen Vater. Weiln „der alte Fritz" unter sie trat, im
einfachen blauen Soldatenrock, hohen über die Kniee gehenden Stiefeln, den
großen dreieckigen Hut auf dem Kopfe, die Hand auf seinen Krückstock gestützt,
so war das ein festliches Ereignis für alle. Stets lief eine jubelnde Volks-
menge neben seinem Pferde her, so oft er von seinem Schlosse Sanssouci in
die Stadt geritten kam. Und wie das preußische Volk auf seinen König stolz
war, so verehrte man den großen Fürsten auch im Auslande und zollte ihm
die höchste Ehrfurcht und Bewunderung. Doch war sein Alter in mancher
Beziehung freudenloser geworden, als die früheren Jahre. Der Tod raubte
ihnr nach und nach die teuersten Familieilglieder und die liebsten Genossen
seines Umganges. Es wurde immer einsamer um ihn her. Nur die Verehrung,
welche ihm das dankbare Volk widmete, hielt ihn für manche Entbehrung
schadlos. Und als nun endlich am 17. August 1786 das gewaltige Auge
brach, das so klar feine Zeit, so streng und groß sein Reich beherrscht hatte,
da erfüllte tiefe Trauer alle Herzen. „Friedrich, die Zierde und der Stolz,
der Vater und Erzieher, der wohlthätige Freund und Schutzgeist seines Volkes,
war nicht mehr. Mit Preußen wurde die ganze Welt, von den Thronen bis
in die Hütten, von der großen Trauerkunde tief ergriffen."
113. Die französische Revolution und ihre ersten
Einwirkungen auf Deutschland.
So wahr es ist, dass Gottesfurcht und Tugend ein Volk gross und
glücklich machen, so wahr ist es auch, dais Gottvergessenheit und Laster-
haftigkeit dasselbe von Stufe zu Stufe in einen Abgrund des schrecklichsten
Verderbens stürzen. Einen Beweis dafür liefert uns in abschreckendei
Weise das französische Volk am Ende des vorigen Jahrhunderts. Nachdem
der Unglaube schon ein Jahrhundert früher in England tiefe "Wurzeln
geschlagen hatte, verpflanzte er sich auch nach Frankreich. Das Land
wurde durch eine Flut schlechter Bücher überschwemmt, welche den
Glauben an die Wahrheiten der christlichen Religion zerstörten und dadurch
natürlich auch den Gehorsam gegen die von Gott gesetzte Obrigkeit unter-
gruben. Und als 1783 in Nordamerika sogar der Versuch gelungen war,
einen Freistaat ins Leben zu rufen, der vom Königtum und Kirchentum,
von Adel und Standesvorrechten, von einem stehenden Heere und von
noch mancher anderen Einrichtung völlig absah, welche dem herrschenden
Geiste der Ungebundenheit zuwider war, da gewann in verschiedenen
Schichten der europäischen Bevölkerung die Ansicht immer mehr Eingang,
die Staatseinrichtungen in der alten Welt müseten von Grund aus umgestaltet
Schürmann u. Windmöller, Lehr- u. Leseb. f. Fortbildungs- u. Gewerbesch. I. 15