1895 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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In einem solchen Lande ist’s aber Arbeit und Arbeit allein, welche
ein zufriedenes, glückliches Dasein verhelfst. Wer also jene scheut, wer
Anstrengung fürchtet, der betrete es nicht. Es ist auch ein freies Land
und frei, nicht zaghaft, sondern fest und entschlossen, klar auch über
seinen Entschluss und ganz einig mit demselben muss jeder sein, der die
Reise dahin antritt, mit dem Vorsätze, keine Gefahr zu scheuen, jedem
Ungemach zu trotzen und, allen möglichen Hindernissen entgegen, fest
nach dem Ziele — Gewinnung einer freien, unabhängigen Lage für sich
und die Seinigen — zu ringen. Wer zu solchem Vorsatz sich nicht
erheben kann, der ertrage sein Schicksal und bleibe zu Hause; oder er
gehe und sei sicher der fürchterlichsten Täuschung.
Viele gingen ohne Mut, ohne Geschick, ohne Arbeitslust, unfähig
zu den Anstrengungen, welche die Gründung einer ersten Niederlassung
in Wäldern, die noch nie den Axthieb des Holzhauers schallen gehört,
erheischen; — viele auch, die in Europa nie ein Geschäft geführt oder
gewusst, was es sei, unter dem Schweifse seines Angesichts sein Brot
essen, gingen hin — und Elend war in Amerika ihr Los.
Wie der Auswanderer nur unter harter Mühe und Arbeit in den
Urwäldern sein Dasein- zu sichern vermag, ebenso geht es demselben
als Handwerker oder Arbeiter in den Städten; denn unbekannt mit den
Sitten und Gebräuchen eines fremden Volkes, einer fremden Welt, die in
Gewohnheit und Erzeugnissen nur wenig der alten Heimat ähnelt, wird
er nur gar zu oft ein Opfer seiner unüberlegten Handlung.
Die ungeheuren Schwierigkeiten, unter denen die ersten Einwanderer
ihre Lebensbedingnisse, zumeist auf sich allein angewiesen, herausarbeiten
mussten, haben den dem englischen und deutschen Wesen entstammenden
Thätigkeitssinn zu einem Thätigkeitstrieb ausgebildet, der ein bezeichnendes
Merkmal der Nordamerikaner geworden ist. Die Thätigkeit und Rührig-
keit der einzelnen ist so gross, dass kein anderes Volk so ganz und
gar als ein thätiges zu bezeichnen ist, als das nordamerikanische. Arbeit
ist in Nordamerika, mehr als irgendwo sonst, das sichere Mittel zu allem,
was das Leben darbietet; Arbeit ist dort das Leben selbst, Müßiggang
eine seltene Erscheinung; die in Europa herrschende Vergnügungssucht
fast unbekannt; ihr Hauptbedürfnis neben der Arbeit ist zeitweise Er-
holung durch Ruhe, womit auch die sehr strenge Heiligung des Sonntags
zusammenhängt, der dem rastlos thätigen Nordamerikaner als ein Tag der
Ruhe, Sammlung und Vergnügungslosigkeit willkommen ist.
Dieser Thätigkeitstrieb äußert sich nicht bloß in der Landwirtschaft
und in der Fabrikthätigkeit, sondern auch im Handelsgeist, welcher das
ganze Volk durchdringt und sich aus dem englischen Handelsgeist und
der Weltstellung des ganzen Landes auf das Bestimmteste ausgebildet hat.
Die Nordamerikaner sind durch und durch ein Handelsvolk, so daß selbst
der Ackerbautreibende zugleich ein Kaufmann ist; alle Klassen und
Personen sind vom Handelsgeiste durchdrungen; jeder Gegenstand, außer
dem ihm durch seine Religiosität geheiligten, ist ihm feil, jedes Besitztum
an beweglichen und unbeweglichen Gütern, die leicht aus einer Hand in
die andere gehen, einem grossen Wechsel der Besitzer unterworfen. —
Das Leben eines wahren Amerikaners gleicht dem Soldatenleben
im Kriege, er ist beständig gleichsam im Felde; heute da, morgen
dort, verweilt er vielleicht nach vier Wochen an einer Stelle, welche