1895 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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grossen Aufschwung nahm, ebenso die mit der Ledererzeugung beschäftigten
Handwerker, wie Gerber, Riemer, Sattler u. s. w. Man trug in früheren
Jahrhunderten unstreitig mehr Pelzsachen oder mit Pelz verbrämte
Kleidungsstücke, selbst in den südlichen Ländern Europas, als in unsern
Tagen; auch in reich verzierten Taschen aller Art und Handschuhen trieb
man einen ziemlichen Aufwand.
Als sehr alt und sehr lebhaft ist die Strasse von Breslau nach Venedig
zu bezeichnen. Auf ihr bezog Schlesien im Mittelalter seine Kolonial-
waren grösstenteils unmittelbar aus Venedig. Entweder zogen die Kauf-
leute durch Böhmen über Prag, Regensburg oder Passau nach Salzburg,
dann über den Brennerpass, oder sie gingen über Wien und durch Kärnten,
überall zugleich Absatzgebiete für die heimischen Waren suchend. Die
Lebhaftigkeit des Verkehrs mit Venedig lässt Schliessen, dass Breslau ein
grosses Hinterland mit Kolonialwaren versorgt hat. Seit der Veränderung
der Handelswege durch die grossen Entdeckungen des 16. Jahrhunderts
trat Hamburg an die Stelle Venedigs. Schlesien bezog die Waren von
dort über Magdeburg und durch Sachsen und später, seit Vollendung der
vom grossen Kurfürsten angelegten Wasserwege, auch durch die Mark über
Berlin und dann die Oder aufwärts.
Bergbau ist frühzeitig an verschiedenen Orten betrieben worden.
Neben Goldberg entstanden im 14. Jahrhundert Goldbergwerke in
Nikolstadt und Wandris. Sehr alt ist der Bergbau in Frankenstein und
Reichenstein, später hat man Silbergruben in Silberberg, Bolkenhain,
Zuckmantel, Kupfer in Kupferberg, Eisen im Saganschen in Schmiede-
berg, Blei in Tarnowitz gewonnen. Die Gold- und Silberarbeiter
dürften im Verhältnis früher mehr Arbeit und Verdienst gehabt haben,
als in der Neuzeit. Die Kirchen, Klöster, Fürstenhöfe und Städte, die
vielen Genossenschaften, auch die reicheren Familien hielten viel auf
kostbare Gefäfse und Schmucksachen von gediegenem Werte. 1499 hatte
Breslau 23 Meister in der Goldschmiedeinnung bei etwa 40 000 Einw.
Übrigens scheint das Gewerbe der Goldschmiede vom Rhein und den
Niederlanden nach Schlesien eingeführt zu sein. Eisen wurde neben dem
einheimischen besonders steierisches verarbeitet, auch ist wahrscheinlich
die Herstellungsweise und Handwerkseinrichtung von Steiermark her nach
Schlesien gekommen. In Schweidnitz und Schmiedeberg war im 16.,
17. und noch im 18. Jahrhundert die Herstellung von kurzen Waren nicht
unbedeutend.
Obwohl das Land im vorigen Jahrhundert unter der preussischen
Regierung gewaltige Kriege durchzumachen hatte, hob es sich doch sehr.
Handel und Gewerbe nahmen wieder zu. Friedrich der Grolse that alles,
um dasselbe wieder in Blüte zu bringen. Er änderte die Zolleinrichtungen
dahin, dass die eingeführten Gewerbeerzeugnisse mit hohen, die Rohstoffe,
die zur Herstellung dienten, mit niedrigen Einfuhrzöllen, die schlesischen
Naturerzeugnisse, die zur weiteren Bearbeitung ins Ausland gingen, mit
hohen, die fertigen Waren mit niedrigen Ausfuhrzöllen belegt wurden.
Ausserdem wurden viele Gewerbe durch Ehrenpreise und Staatszuschüsse
unterstützt. Die alten Zunfteinrichtungen, welche aus schützenden Wehren
allmählich zu hemmenden Schranken geworden waren, wurden wenigstens
für das ganze Gebiet der Wollen- und Flachsindustrie in den wesentlichsten
Stücken aufgehoben.