1892 -
Leipzig
: Amelang
- Autor: Fix, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 28
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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gezogen sei, daß sie es aber zuletzt hätten sitzen lassen, und daß es jetzt
da sei. Als der Tagelöhner mit den ©einigen zu Nacht aß, setzte sich
das sremde Kind auch an den Tisch; als es Zeit war zu schlafen, legte
es sich auf die Ofenbank und schlief auch. So den andern Tag, so
auch den dritten. Denn der Mann sagt': „Ich kann das Kind nicht
wieder in sein Elend hinausjagen, so s,hwer es mir ankommt, eins
mehr zu ernähren." Aber am dritten Tage sprach er zu seiner Frau:
„Frau, ich will's doch auch unserm Pfarrer anzeigen." Der Pfarrer
lobte die gute Denkungsart des armen Mannes; „aber das Mägdlein,"
sagte er, „soll nicht das Brot mit Euren Kindlein teilen, sonst werden
die Stücklein zu klein. Ich will ihm einen Vater und eine Mutter
suchen." Also ging der Pfarrer zu einem wohlhabenden und braven
Manne in seinem Kirchspiel , der selber wenig Kinder hatte, und sagte
zu ihm: „Peter, wollt Ihr ein Geschenk annehmen?" — „Nachdem's
ist," sagte der Mann. — „Es kommt van unserm lieben Herrgott!" —
„Wenn's von dem kommt, so ist's kein Fehler." — Also bot ihm der
Pfarrherr das verlassene Mägdlein an u id erzählte ihm die Geschichte
dazu, so und so. Der Mann sagte: „Ich will mit meiner Frau reden.
Es wird nicht fehlen." Der Mann und die Frau nahmen das Kind
mit Freuden auf. „Wenn's gut thut," sagte der Mann, so will ich's
erziehen, bis es sein Stücklein Brot selber verdienen kann. Wenn's
nicht gut thut, so will ich's wenigstens behalten bis ins Frühjahr, denn
dem Winter darf man keine Kinder anvertrauen." Jetzt hat er's schon
vielmal überwintert und vielmal übersommert auch. Denn das Kind
thut gut, ist folgsam und dankbar und fleißig in der Schule. Und
Speise und Trank ist nicht der größte Gotteslohn, den das fromme
Ehepaar an ihm ausübt, sondern die christliche Zucht, die väterliche
Erziehung und mütterliche Pflege. Wer das fremde Töchterlein unter
den andern Kindern in der Schule sieht, soll es nicht erkennen, so gut
sieht es aus, und so sauber ist es gekleidet. Joh. Pet. Hebel.
28. Eine Fürslentochler.
Fast in der westlichsten Spitze des Münsterlandes, nicht weit von
Ahaus, liegt das Städtchen Ottenstein. Auf der noch vorhandenen
Burg wohnte zu Anfang des 15ten Jahrhunderts ein Graf Heinrich
von Solms. Auch das umliegende Gebiet mit der Stadt Vreden
gehörte ihm. Seine Unterthanen waren ihm in Treue ergeben; aber
sein Nachbar, der mächtige Bischof Otto Iv. von Münster, zog mit
Feuer imb Schwert wider ihn, verheerte das Land und belagerte den
Grafen auf seiner Burg. Der aber hielt sich tapfer und die wehrhaften
Bürger des Städtleins halfen ihm wacker, den zornigen Bischof zurück-
zuwerfen. Und da es ihnen glückte, insgeheim Lebensmittel herbeizu-
schaffen, so zog sich die Belagerung zwei Jahre lang hin. Da war
des Bischofs Geduld zu Ende. In seinem Grimme bot er im münster-
schen Bistum alles auf, was eine Waffe führen konnte, und schloß
Stadt und Burg Ottenstein also ein, daß an eine längere Verteidigung
nicht mehr zu denken war.
Der Gras sah mit Entsetzen, daß seine lieben, getreuen Bürger