1892 -
Leipzig
: Amelang
- Autor: Fix, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 28
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
Städten des Morgenlandes, als Konstantinopel, Kairo u. s. w. Sie
sind völlig herrenlos und dienen zur Vertilgung des Aases, das bei
der Unsanberkeit und Sorglosigkeit der Menschen dort auf den Straßen
liegen bleibt. So wohlthätig sie hierdurch sind, so lästig werden sie
auch; denn nicht allein, daß die Hunde verschiedener Straßen sich gegen-
seitig Schlachten liefern, sondern sie fallen auch oft die Menschen in
europäischer Tracht an und lassen sich nur von Türken beruhigen und
zurückziehen. Illustrierter Jugendfreund.
226. Der Hund vom St. Bernhard.
Über den großen St. Bernhard führt ein Bergpaß aus der
Schweiz nach Italien. In dem öden, hohen Felsenthale, von Bergen
umschlossen, die ewiger Schnee bedeckt, steht die höchste menschliche
Wohnung in der alten Welt, das St. Bernhards-Kloster. Hier woh-
nen zehn bis zwölf arme Mönche, deren einziges Geschäft es ist, die
Beisenden unentgeltlich zu bewirten und ihnen alle Hülfe angedeihen
zu lassen. In den acht oder neun Monaten des Jahres, wo Schnee,
Nebel, Ungewitter und Schneelawinen den Weg sehr gefährlich machen,
streifen diese Mönche oder ihre Diener täglich umher, um Verirrte
aufzusuchen oder Versunkene zu retten. Schon viele Jahre her be-
dienen sie sich zur Bettung der Verunglückten auch besonders abge-
richteter Hunde. Diese gehen entiveder allein aus, oder sie werden
von den Mönchen mitgenommen. Sobald ein solcher Hund einen
Verunglückten ausgewittert hat, kehrt er in pfeilschnellem Laufe zu
seinem Herrn zurück und macht durch Bellen, Wedeln und unruhige
Sprünge seine Entdeckung kund. Dann wendet er um, immer zurück-
sehend, ob man ihm auch nachfolge, und führt seinen Herrn nach
der Stelle hin, wo der Verunglückte liegt. Oft hängt man diesen
Hunden ein Fläschchen mit Branntwein oder andern stärkenden Ge-
tränken und ein Körbchen mit Brot um den Hals, um cs einem er-
müdeten Wanderer zur Erquickung darzubieten. Ein solcher Hund
war Barry. Zwölf Jahre lang war er unermüdet thätig und treu
im Dienste der Menschheit, und er allein hat in seinem Leben mehr
als vierzig Menschen das Leben gerettet. Der Eifer, den er hierbei
bewies, war außerordentlich. Nie ließ er sich an seinen Dienst
mahnen. Sobald der Himmel sich bedeckte, Nebel sich einstellten
oder die gefährlichen Schneegestöber sich von weitem zeigten, hielt
ihn nichts mehr im Kloster zurück. Nun strich er rastlos und bellend
umher und ermüdete nicht, immer und immer ivieder nach den ge-
gefähnlichen Stellen zurückzukehren und zu sehen, ob er nicht einen
Sinkenden halten oder einen Vergrabenen hervorscharren könne, und
konnte er nicht helfen, so setzte er in ungeheuren Sprüngen nach
dem Kloster hin und holte Hülfe herbei. Als er kraftlos und alt
war, sandte ihn der würdige Frior nach Bern, wo er starb und in
dem Museum aufgestellt wurde.
Harald Ottmar Lens.