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1887 -
Düsseldorf
: Schwann
- Hrsg.: ,, Kahl, August
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Ausbau an. Zuweilen kommt es vor, dass der Storch
sein Nest vertheidigen muss. In den Grenzen seines Ge-
bietes erscheint ein anderer Storch. Das Männchen hat
ihn von weitem geschaut, und in sausendem Fluge stürzt
er sich seinem Neste zu, um Haus und Weib zu schir-
men. Der Storch duckt sich nieder und richtet zischend
seinen Schnabelspiess empor; zugleich schwingt er die
Flügel zum zerschmetternden Hiebe. Der Kampf beginnt.
Beide Kämpfer bohren sich die Schnäbel in Hals und
Brust; wüthend schwingen sie sich auf, und die Flügel
prasseln krachend nieder. Wildes Geplapper erfüllt die
Luft. Ein tiefer Stich verwundet den einen, und die
Kämpfer verschwinden in der Weite. Bald entbrennt
der Kampf wieder und nähert sich von neuem dem Neste.
Da beginnt das Weibchen zu klappern, gleichsam um
das Männschen zur Ausdauer zu ermahnen. Dieses ver-
nimmt den Ruf. Noch eiu paar Streiche schwirren durch
die Luft; noch einmal fahren die Schnäbel zusammen und
der Gegner stürtzt zu Boden. Haus und Hof sind gesichert.
Sonst ist der Storch ein duldsames Tier; er lässt
es ruhig geschehen, dass Schwalben und Sperlinge sich
unter dem Reisiggewölbe seines Nestes ansiedeln. — Er
ist ein reinlicher Vogel; er badet sich fleissig; und sein
Schnabel ersetzt ihm Kamm und Bürste. Gegen Men-
schen ist er zuthunlich. Sorglos spaziert er im Hot und
Garten des Landmanns umher; in Seestädten schreitet
er mitten durch den Strassentumult, wandert von Markt
zu Markt, von Brunnen zu Brunnen, und fordert von
jedem, dass er ihm ausweiche.
Wenn im Hochsommer die Triften versengen und die
Tei he und Sümpfe austrocknen, dann sucht der Storch
das Innere der Laubwälder mit ihren Quellen, Bächen
und Wiesen auf und wenn ihm auch hier die Nahrung
auszugehen anfängt, rüstet er sich zur Reise nach Süden.
Diese erfolgt meist plötzlich und im geordneten Zuge.
In ununterbrochenem Fluge, zuweilen in Heeren von
2—3000, ziehen sie nach Ägypten, wo sie in der frosch-
und schlangenreichen Niederung des Nil einen günstigen
Aufenthaltsort finden. Wenn aber die Glühhitze des
angehenden Sommers von dem wolkenlosen Himmel
Ägyptens niederstrahlt, kehrt der Storch zurück in die
aufgrünenden Fluren unseres Vaterlandes.