1887 -
Düsseldorf
: Schwann
- Hrsg.: ,, Kahl, August
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Welche im Jahre 555 nach Christas die ersten Eier des Sei-
denspinners in ihren ausgehöhlten Wanderstäben überbrachten.
Gegenwärtig zieht man die meiste Seide in Italien und in
dem südlichen Frankreich. In Deutschland und bei uns in
Preußen hat man auch schon vor längerer Zeit den Seiden-
bau mit großem Eifer einzuführen begonnen, Maulbeerbäume
gepflanzt und Haspelmaschinen aufgestellt. Und der Seiden-
bau ist lohnend, da ihn der Landmann ohne große Vor-
richtungen als einen Nebenerwerbszweig zu einer Zeit, wo ihn
andere Arbeiten nicht übertrieben in Anspruch nehmen, durch
Frauenspersonen und Kinder betreiben kann. Das ganze Ge-
schäft ist auch weder schwer noch anstrengend. Die Raupen
kann man in jedem Zimmer halten, wenn sie nur vor Kälte,
Hitze, Staub, Rauch und Nässe, vor Ratten, Mäusen und
Spinnen gesichert sind.
Die Eier werden in 4 bis 8 Tagen ausgebrütet; die
später auskommenden Tierchen sind schwächlich und spinnen
nicht so gut. Gleich nach ihrer Geburt fangen die kleinen
schwarzen Ränpchen an zu fressen. Ihre natürliche Nahrung,
wie bereits oben gesagt worden, sind die Blätter des Maul-
beerbaumes, besonders des weißen; bei einem andern Futter
erkranken und verkümmern sie. Sie sind wie alle Raupen,
außerordentlich gefräßig, und verzehren an einem Tage mehr
als zweimal so viel Futter au Gewicht, als sie selbst schwer
sind. Sie lieben gemäßigte Wärme, reine Luft und Trocken-
heit. Von ihrer Geburt an bis zur Verpuppung häuten sie
sich, in einer jedesmaligen Zwischenzeit von 4 bis 6 Tagen,
viermal. Wenn der Tag der Häutung sich nähert, werden
sie matt und liegen 24 Stunden ohne Nahrung fast ganz
steif. Sobald sie die aufgeborstene Haut abgestreift haben,
fressen sie wieder allmählich inehr. Indes sind die Zeiten der
Häutung nicht ungefährlich, und manche büßen ihr Leben ein.
Mit der Häutung werden sie weißer, glätter und größer, und
nach der vierten Häutung fressen sie zweimal so viel als in
der ganzen Zeit vorher. Sechs bis sieben Tage nach der letz-
ten Häutung bemerkt man unter dem Halse eine starke Nöte,
sie hören auf zu fressen, laufen unruhig einher und suchen
einen bequemen Ort zum Einspinnen. Haben sie diesen ge-
funden, so treten durch zwei Öffnungen unter dem Maule
kleine Tröpfchen eines harzigen Stoffes hervor, der an der
Luft schnell verhärtet. Diese kleben sic an irgend einem Orte