1887 -
Düsseldorf
: Schwann
- Hrsg.: ,, Kahl, August
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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10. Das Petroleum.
Unter den verschiedenen Beleuchtungsstoffen, durch welche
in der neuern Zeit der Mensch der Nacht in das Regiment
greift, ist das Petroleum derjenige, welcher die weiteste
Verbreitung und die gröste Bedeutung zu gewinnen scheint.
Wohl schüttelten viele Leute die Köpfe bei der Nachricht,
dass drüben in Amerika an manchen Orten das Öl aus der
Erde gepumpt wird, wie bei uns zu Lande das Wasser, oder
dass es dort Teiche und Flüsse gibt, von deren Oberfläche
man das Öl abschöpft, gerade wie wenn die Mutter eine
Gans bratet und das Fett, das auf der Brühe schwimmt, mit
dem Löffel wegnimmt. Die Pländler verschenkten anfangs
das Öl sammt den zum Brennen desselben nötigen Lampen;
dann bekamen die Kaufleute zu jedem Fasse Öl, das sie be-
stellten, eine oder etliche Lampen umsonst. Allmählich kamen
die Leute dahinter, dass das neue Öl heller brennt, als das
alte, und doch weit wohlfeiler und reinlicher ist. Wie schnell
sie sich in das Fxempel gefunden haben, nach welchem der
Gewinn für unsern Geldbeutel um so grösser ist, je billiger
die Sache, zeigt der Umstand, dass im Jahre 1866 in Pennsyl-
vanien allein an 2 72 Millionen Fass Petroleum gewonnen wur-
den, während die Ausbeute im Jahre 1861 sich nur auf
600,000 Fass belief.
Am reichsten fliefsen die Erdölquellen seit einiger Zeit bei
Oil-Spring, einer Gegend des eben genannten Staates in Nord-
amerika. Die ersten Versuche, welche die Ölbohrer machten,
sielen so glücklich aus, dass die meisten Bauern Pennsyl-
vaniens die Hacke liegen und den Pflug stehen liessen, um Öl
zu bohren. Es entstanden in der erwähnten Gegend tausende
von Brunnen, aber die Unternehmungen waren wie ein Lotterie-
spiel. Unter hundert Männern, welche für schwere Summen
von den Landeigentümern das Recht gekauft hatten, Bohr-
löcher von 4 Zoll im Durchmesser in die Tiefe zu führen,
hatten achtzig bis neunzig das Geld weggeworfen und Arbeit
und Mühe als Zugabe zum Verluste gelegt; nur zehn bis
fünfzehn fanden öl, allerdings zuweilen in so ungeheurer
Menge, dass mancher durch eine einzige Quelle binnen weni-
gen Monaten zu einem Millionär wurde. In das Riesenmäfsige
stieg der Ertrag, als im Sommer 1861 ein Bohrer tiefer, als
bisher ging und dadurch einen immer fliessenden Brunnen ge-
wann, welcher täglich etwa 1000 Fass Öl gab. Gleiche Ver-
suche an anderen Orten hatten gleichen Erfolg. Im Winter
1861 auf 1862 wurden täglich 15000 Fass gefördert; es fehlte
an Geräthen, das fliessende Öl aufzunehmen, und der Preis
sank an Ort und Stelle auf ungefähr fünf Silbergroschen für
pas Fass, das 120 bis 130 Quart enthält.