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1. Lesebuch für Fortbildungsschulen und verwandte Anstalten in Elsaß-Lothringen - S. 59

1905 - Straßburg : Bull
59 bildungsschule pünktlich besuchte und sich durch Fleiß und Sittsamkeit aus- zeichnete, ist durchaus nicht zum Verwundern. Andernfalls wäre der Vater gar unsanft mit ihm umgegangen. In der Werkstätte war Gustav eifrig, willig und aufmerksam. Nicht nur die Hände, sondern auch seine Gedanken waren bei der Arbeit. Er begnügte sich nicht mit der Oberflächlichkeit, sondern forschte auch über das „Warum und Weil" nach. Gegen die Arbeitsgenossen war er bescheiden, höflich und nachgiebig. Niemals aber hätte er sich bewegen lassen, hinter dem Rücken des Meisters etwas Unrechtes zu tun. Als er sah, daß sich ein neueingetrcteuer Geselle eine Veruntreuung zuschulden kommen ließ, teilte er es unverzüglich dem Meister mit. Wohl wurde Gustav dafür eine Zeit- lang angefeindet, allein bald sah man ein, daß es nicht aus Schadenfreude geschah, sondern ein Ausfluß seiner Gewissenhaftigkeit war, was sein Ansehen in der Werkstätte füglich noch erhöhte. Im Umgänge mit der Familie des Meisters zeichnete sich Gustav durch höfliches, freundliches und zuvorkommendes Benehmen aus, so daß er sich auch hier sehr beliebt machte. „Schade, daß Gustav nicht unser Sohn ist!" sagte die Frau Meisterin oft zu ihrem Manne. - Gustav lebte auch genau nach den Vorschriften seines Glaubens, dessen Besitz ihm für alle Güter der Erde nicht feil wäre. Wie in den Tagen der Kindheit, so vergaß er auch als Lehrling das Beten nicht. Ganz gewissenhaft erfüllte er am Tage des Herrn seine Christenpflichten und machte alsdann einen Spaziergang in Gottes schöne Natur. Erlaubte dies die Witterung nicht, so suchte er Unterhaltung in guten Büchern, welche er in der öffentlichen Bibliothek des Städtchens geliehen hatte. Gar streng mied er das Wirtshaus. Nie vergaß er die väterlichen Abschiedsworte: „Denke stets, daß im Wirtshanse das zeitliche und ewige Glück so manches jungen Menschen begraben wurde. Gläserklang, Würfel- gepolter und Kartenflüche bildeten das Totengelünte dabei." So war für Gustav, ohne daß dieser es recht wußte, das Ende der Lehrzeit heran gekommen. Nun wurde in dem Städtchen die alljährliche Handwerker-Versammlung des Lands abgehalten. Verbunden war damit eine Ausstellung von Lehrlingsarbeitcn, wobei die besten durch Preise aus- gezeichnet werden sollten. Gustav, der seine Mutter an ihrem Namenstage durch ein Geschenk überraschen wollte, hatte eine wunderhübsche Nählade fertiggestellt. Als Muster hatte ihm eine reichverzierte, mittelalterliche Zunftlade gedient, deren Abbildung er in einer Beilage der „Gewerbe- zeitung" gefunden hatte. Gar prächtig war ihm die Anfertigung des Gegen- stands, welcher zahlreiche Einlagen aufwies, gelungen. Ohne jede fremde Hilfe und nur in den freien Stunden hatte er an diesem schönen Werke kindlicher Liebe und Verehrung gearbeitet. Die Arbeit trug ihm reiches Lob seitens seines Meisters ein. Ja, er bewog Gustav, die Nählade zur Preisbewerbung einzusenden. Sie wurde auch tatsächlich durch einen ersten Preis ausge-
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