1905 -
Straßburg
: Bull
- Hrsg.: Michel, M., Walter, W.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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Ziegcllagen aufgeführt und mit Ecklisenen, Fenstereinfassungen und Tor-
wölbnugen aus grauen Sand- oder Tuffsteinflözen versehen.
Das romanische Ornament weist hauptsächlich Flechtwerk auf.
Abenteuerliche Tier- und Menschengestalten, besonders die Gestalten der
deutschen Sage, Ws Gnome, Lindwurm und Drache, wurden ins Ornament
eingeflochten und bilden so ein hervorragendes Kennzeichen der gesamten
deutschen Kunst im Mittelalter. Seltener zeigt sich im romanischen Orna-
mente Blattwerk. Wo es auftritt, besteht es aus althergebrachten römischen
Akanthusformcn. Die einheimischen Pflanzen verstand man noch wenig zu
benutzen. Alle Blattränder sind rund gekerbt. Zwischen den schneidigen
Blattrippen liegen rundliche Riemen, so daß die Blätter fast ein muschel-
artiges Aussehen bekommen. Die romanischen Rundbogenformen herrschen
also auch int Pflanzenornamente. Andre Ziermittel bilden der Diamant-
schnitt, das Zickzackland und andre geometrische Formen.
Romanische Gotteshäuser finden sich in Elsaß-Lothringen sehr häufig,
so in Eschau, Avolsheim, Ottmarsheim, Sigolsheim, Hagenau (St. Georg),
Rosheim, Maursmünster, Neuweiler, Rufach, Kaysersberg, Alldorf (Be-
nediklinerkirche), Schlettstadt (St. Fides), Busendorf, Gorze, Metz (St.
Eucharius und St. Maximin), Marsal, Sey. Nicht selten sind die roma-
nischen Gebäude durch Umbauten in späterer Zeit entstellt worden.
Nach H. S. Schmid.
123. Der gotische Stil.
Der Name dieses Stils kam zuerst in Italien auf und sollte ursprüng-
lich ein Ausdruck der Geringschätzung sein. Die Bauweise selbst hat ihren
Ausgang von Nordfrankrcich genommen, doch in Deutschland eine reiche
und eigentümliche Ausbildung erlangt. Den Bäumen des Walds vergleich-
bar, wachsen die hohen Pfeiler der Gotteshäuser vom Boden empor. Sie
sind aus einer Anzahl schlanker Schäfte gebildet, die über dem leicht be-
krönten Laubkranze des Kapitäls sich fortsetzen und in sanft anftci. enden
Spitzbogen sich gegen einander neigen. Blick und Sinn des Beschauers
werden andächtig nach oben gezogen. Das Auge folgt der raschen Folge
der Pfeiler bis zum Heiligtum des Chors. Eine Fülle von Helligkeit
durchdringt den ganzen Raum. Die Wände verschwinden fast ganz und
werden zu hohen Fenstern, deren farbenglänzcnde Scheiben ein steinernes
Gitterwerk hält. Aus der schrägen Fensterbank schlank emporsteigend,
gestaltet sich über den Pfosten, aus Kreisbogen gebildet und mit sanften
Vorsprüngen (Nasen) verziert, das Maßwerk. Es bildet Rosetten, Drei-,
Vier- und Fünfgassen und Fischblasenmuster. Sehr schön ist die große
Fensterrosette über dem Haupteingange, wie beim Straßburger Münster.
Der Grundriß behält die Form des Kreuzes bei; aber das Quer schiff
tritt weniger hervor als bei romanischen Kirchen. Bei größern Anlagen
ist es weiter nach vorn gerückt; dadurch wird das Chor größer und reicher.