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1. Lesebuch für Fortbildungsschulen und verwandte Anstalten in Elsaß-Lothringen - S. 25

1908 - Straßburg : Bull
25 Leider muß man auch annehmen, daß manche Meister im Blaumachen hie und da selber mit schlechtem Beispiele vorangegangen sind. Auch die Obrigkeit suchte dem Mißbrauche zu steuern, umsomehr, als grobe Ausschreitungen und Totschläge nicht selten das Ende dieser Montags- vergnügen waren. Sie erließ Verbote über Verbote. Welch geringen Erfolg sie damit hatte, sieht man heute, wo der blaue Montag nicht viel weniger Verehrer besitzt, als vor 300 Jahren. Manche Handwerker, statt sich der Faulenzerei und Liederlichkeit zu schämen, betrachten im Gegenteil den blauen Montag als einen schönen Überrest aus der sog. „guten, alten Zeit." Diese schöne Erinnerung ist sehr wertvoll; denn sie stellt in Deutschland einen Arbeitsverlust von wöchentlich mehr als einer Million Mark dar! Es wären also 50-60 Millionen Mark im Jahre mehr verdient worden, wenn so und so viele Handwerker, statt im Bette den Katzenjammer vom Tage vorher zu Pflegen und dann im Wirtshause von neuem wieder zu trinken, in ihrer Werkstätte fleißig und ordentlich gearbeitet hätten. Zu diesem materiellen Schaden kommt noch der moralische, — und der ist größer. Die Bummler behaupten zwar, daß es nicht die schlechtesten Arbeiter sind, welche „blau" machen, und daß sie durch erhöhten Fleiß am Ende der Woche das Versäumte schon wieder einbrächten. Wohl mag sein, daß sich unter dem Haufen der Montagsbrüder auch geschickte Arbeiter befinden, und sicher ist, daß mancher, der am Montag spazieren ging oder im Wirtshaus beim „66" einige Maß Bier „herauskartclte," am Freitag und Samstag bis tief in die Nacht hinein sticheln und klopfen muß, um den neuen Rock oder die neuen Stiefel am Sonntaginorgen richtig abliefern zu können. Aber kein Mensch wird behaupten, daß dies der Weg zu Wohlstand und Zufriedenheit sei. Wer nicht Ordnung gelernt hat, wird es nie weit bringen. Wer sein Geld an zwei Tagen verschlemmt und fünf Tage mit hungrigem Magen und trockener Zunge dafür büßen muß, wird leicht mit seinem Los unzu- frieden. Er wird andre, die besser rechnen und einteilen können, beneiden und die Ursache davon, daß ihm nichts glücken und gedeihen will, überall suchen, nur nicht bei sich selber. Und dann leben wir nicht mehr in der „guten, alten Zeit," wo zuletzt ein blauer Montag schier zum Handwcrks- schlcndrian gehörte. Jetzt heißt es: „Zeit ist Geld!" Wer diesen Ruf nicht versteht oder nicht verstehen will, fühlt sich sein Lebtag von andern überholt, verzagt an sich selber und vermehrt den Haufen derer, die ihr Heil von außen erwarten, statt an die eigne Kraft zu glauben. Nachschrift. Wohl feiern manche Handwerker am Montag; aber nicht alle „Montagsbrüder" sind Handwerker. Auch für diese gilt obige Lektion!
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