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1. Teil 1 - S. 19

1918 - Essen : Bädeker
Eine Träne. 19 will Er denn?" fragte der Herr den Sprachlosen und erkannte ihn nicht wieder, „verzechen Sie, mein Herr, ich war, ich bin, ich komme — der Schreinermeister, der die große Ehre hatte, für Sie zu arbeiten." — „So, so, und? Er will Vorfragen? Ich habe jetzt nichts zu bestellen. Erbraucht sich auch nicht zu bemühen,- ich werde schicken, wenn ^ich Seiner benötige, vielleicht bald." Damit wandte sich der Herr um, das Zimmer zu verlassen. „Rch," fing der zerschmetterte Handwerksmann an, „der Herr möge nicht böse werden, aber ich möchte Sie wohl bitten um den Betrag des Ge- lieferten ; ich habe kein vermögen und habe das Geld zum Rnkaufe des Holzes für die schönen neuen Möbel leihen müssen, und —." verdrießlich und mürrisch versetzte der Kaufmann: „Ich bezahle nur halbjährlich; auf andere Termine können wir uns nicht einlassen, das macht uns zu viel Umstände. Doch das ist einmal gewesen. Er muß keine Rrbeit an- nehmen, wenn Er nicht so lange warten kann auf die Bezahlung"; und so winkte er einem zunächst sitzenden jungen Manne, demselben aufgebend, dem Meister die Summe auszuzahlen. Stumm nahm der Meister das Geld in Empfang, und an das Pult des Kaufmanns gehend, um zu unterzeichnen, floß, erpreßt von dem Ge- danken: „Du kannst in Zukunft eine solche Hvbeit doch nicht wieder an- nehmen, denn du hast kein Geld, und deine Rrmut verschließt dir jede Hoffnung dazu", eine Träne über seine Wange und fiel auf die (Quittung. Der Kaufmann bemerkte sie. Stumm und niedergebeugt verneigte sich der Meister und ging. Rls er die Hälfte des Zimmers durchschritten hatte, rief ihn der Kaufmann zurück, „hört einmal, Meister! von den Stühlen kann Er mir noch ein Dutzend liefern, und ich habe auch in der nächsten Woche mehrerer. Doch, damit Er mir in Zukunft nicht alle Augenblicke be- schwerlich wird, und weil Er mir doch kein halbes Jahr Kredit geben kann, so will ich Ihm Vorschuß geben. Zahlen Sie dem Manne noch 500 Mark!" sprach er zum Kassierer und blickte aufs Papier. Sprachlos stand der Meister da, im Innersten erschüttert; doch jetzt ging er rasch auf den Kaufmann zu, ergriff dessen Hand und drückte sie herzlich an seine Sippen. „Dank," stammelte er, „tausend Dank, guter Herr! Der liebe Gott wird es Ihnen lohnen." „Lass' Er das, lieber Freund! Wenn Er ein ehrlicher Mann ist, so braucht Er des Dankes nicht. Doch hier kein Rufsehen, solche Scenen gehören nicht aufs Kontor, hier wohnt keine Herzlichkeit. Geh' Er mit Gott! Ich komme bei Ihm vor und will einmal selbst nach Seiner Wirt- schaft sehen." Froh und überglücklich kehrte der Meister zurück. Fleißig arbeitete er, und durch des angesehenen Kunden Hilfe war er bald ein gemachter Mann. Der reiche Kaufmann aber fühlte an jenem Morgen eine so sonder- bare Regung in seinem Herzen, daß dieselbe seit dieser Zeit noch manche Träne hervorlockte. Doch war es immer — eine Träne der Dankbarkeit. Gh, wenn doch manche gutherzige Reiche etwas von der Not des armen Handwerkers, der für sie arbeitet, wüßten! Sie würden dann handeln wie dieser edle Kaufmann. Rh-m. »oirwatter.
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