1918 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Auflagennummer (WdK): 34
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Kaiser Wilhelm Il und seine Fürsorge für die Arbeiter. 313
Arbeiter und ihr Anspruch auf gesetzliche Gleichberechtigung gewahrt bleiben.
In diesem Erlaß des arbeiterfreundlichen Kaisers heißt es: „5o wertvoll
und erfolgreich die durch die Gesetzgebung und Verwaltung zur Verbesse-
rung der Lage des Arbeiterstandes bisher getroffenen Maßnahmen sind,
so erfüllen dieselben doch nicht die ganze Mir gestellte Aufgabe. Neben
dem weiteren Ausbau der Arbeiter-Versicherungsgesetzgebung sind die be-
stehenden Vorschriften der Gewerbeordnung über die Verhältnisse der Fabrik-
arbeiter einer Prüfung zu unterziehen, um den auf diesem Gebiete laut
gewordenen Klagen und wünschen, soweit sie begründet sind, gerecht zu
werden. Diese Prüfung hat davon auszugehen, daß es eine der Aufgaben
der Staatsgewalt ist, die Zeit, die Dauer und die Art der Arbeit so zu
regeln, daß die Erhaltung der Gesundheit die Gebote der Sittlichkeit, die
wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeiter und ihr Anspruch aus gesetzliche
Gleichberechtigung gewahrt bleiben. Für die Pflege des Friedens zwischen
Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind gesetzliche Bestimmungen über die
Formen in Aussicht zu nehmen, in denen die Arbeiter durch Vertreter,
welche ihr vertrauen besitzen, an der Regelung gemeinsamer Angelegen-
heiten beteiligt und zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Verhandlung
mit den Arbeitgebern und mit den Organen Meiner Regierung befähigt
werden. Durch eine solche Einrichtung ist den Arbeitern der freie und
friedliche Ausdruck ihrer wünsche und Beschwerden zu ermöglichen und den
Staatsbehörden Gelegenheit zu geben, sich über die Verhältnisse der Arbeiter
fortlaufend zu unterrichten und mit den letzteren Fühlung zu behalten."
Bald nach Kundgebung dieser Erlasse wurde am 14. Februar der
Staatsrat einberufen und durch eine Ansprache des Kaisers eröffnet. Unter
den vom Kaiser berufenen sachkundigen Personen befanden sich mehrere
schlichte Arbeiter und Handwerker. Die Verhandlungen, welche mehrere
Tage hindurch währten, wurden persönlich vom Kaiser geleitet, der durch
wiederholtes Eingreifen zu einer gründlichen Behandlung der von ihm
vorgelegten Fragen anregte. Der tiefe Ernst und die ungeteilte Aufmerk-
samkeit, mit welcher der Kaiser dem Gange der Verhandlungen in den
langen Sitzungen erfolgte, die Leutseligkeit, in welcher der Monarch während
der Erholungspause bei zwangloser Unterhaltung sich den Sachverständigen
aus den Handwerker- und den Arbeiterkreisen näherte, erregte die leb-
hafteste Teilnahme aller Anwesenden.
Der Einladung Kaiser Wilhelms zu der internationalen Arbeiterschutz-
Konferenz hatten England, Österreich, Frankreich, Italien, die Schweiz,
Belgien, Holland, Dänemark und Schweden entsprochen und Abgesandte
nach Berlin geschickt. Die unmittelbare Folge der Konferenz waren gesetz-
geberische Maßnahmen zum Schutze der Arbeiter nicht nur in unserem vater-
lande, sondern auch in anderen Staaten; der haupterfolg muß aber darin
gesehen werden, daß auf Kaiser Wilhelms Anregung überhaupt der Beginn
einer internationalen Einigung auf sozialpolitischem Gebiete gemacht ist.
Im deutschen Reiche entstanden unter ihm neben den Verbesserungen der
Gewerbeordnung und der Arbeiter-Versicherungsgesetze das Gewerbegerichts-,
das Kinderschutz-, das Stellenvermittler-, das Hausarbeitsgesetz und das
Versicherungsgesetz für Angestellte. — So ist Kaiser Wilhelm Ii. nicht nur
der Abstammung, sondern ebenso auch dem Geiste nach der Erbe seiner
Vorfahren, ein sorgender Vater seiner Landeskinder. Nach W. semze.