1918 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Auflagennummer (WdK): 34
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Reise nach Ostafrika.
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fähren haben sich an seinen Rumpf gelegt, und Korb auf Korb werden die
Kohlen hineingeschüttet in seinen geöffneten Bauch. Ein feiner schwarzer
Staub verbreitet sich über das ganze Schiff und legt sich auf Gesicht und
Kleider der Menschen.
Wer irgend kann, eilt deshalb an Land und besieht sich die Stadt.
Was ist das für ein Gewühl! Man wird fast erdrückt von all den Ein-
drücken, die hier zum erstenmal mit ihrer ganzen Frische auf nns eindringen.
Alle Völker des Orients sind ja hier zusammengeströmt, alle Rassefarben sind
vertreten, alle Sprachen werden gesprochen, alle Toiletten sind zu sehen.
Port-Said ist eng gebaut, um Schatten zu gewinnen, Laden an Laden,
Hotels, Konsulate, Banken, Magazine, nur wenige Privathäuser I Führer
drängen sich heran und lassen sich schwer zurückweisen, sie zeigen und erklären
und verlangen Bezahlung. Man steht einen Augenblick am Schaufenster,
sofort merkt man ein sanftes Reiben an den Füßen. Ein schwarzer Junge
kauert am Boden und putzt die Stiefel; man geht unwillig fort, doch erfolgt
nach, immer bereit, den günstigen Augenblick wieder zu erhaschen und weiter
zu putzen. Man flüchtet sich in ein Cafs und steckt die Füße unter den
Tisch. Es dauert nicht lange, so werden die Füße wieder durch Bürsten
erwärmt. Der Junge ist unter den Tisch gekrochen und verlangt nun Be-
zahlung. „Gib mir 50 Pfennig," wurde einem meiner Freunde gesagt,
„dann bist du mich los".
Unter solchen Umständen kehrt man gern auf das Schiff zurück, sobald
die schwarzen Männer fertig sind mit ihrer schmutzigen Arbeit und das
Scheuern der Decks begonnen hat. Alle finden sich wieder zusammen, und
alle haben zu erzählen, und die meisten schimpfen.
Nun werden die Taue gelöst, und die Reise geht weiter. Links sieht
man die großen Kohlenschiffe aus England und die mächtigen Bagger, die
fast immer zu tun haben im Kanal, um den nachdrängenden Wüstensand
hinauszuschaffen über die Ufer; rechts im Kriegshafen liegen englische und
italienische Kriegsschiffe, reich beflaggt. Nun sind wir im Kanal, und langsam
fährt das Schiff dahin. Rechts ist gelbbraune Wüste, und links ist gelb-
braune Wüste, so weit das Auge reicht. Der Kanal ist eng, und wir legen
an, wenn uns ein anderes Schiff begegnet. In der Nacht sieht es prächtig
aus. Eine Feuerwolke taucht auf in der Ferne. Immer heller wird sie, und
immer näher kommt sie. Taghell ist der Kanal erleuchtet durch die elektrischen
Scheinwerfer, die an Bord genommen sind und am Vorderbug der Schiffe
hängen. Jetzt gleiten sie stumm an uns vorbei mit ihren vielen Laternen
und Lichtern, und von neuem setzt sich unser Schiff in Bewegung. Nach
zwanzigstündiger Fahrt verlassen wir den Kanal und kommen in den Meer-
busen von Suez, an die Stätte, wo die Kinder Israel das Meer durch-
schritten haben. Rechts sieht man hohe, kahle Berge, in denen Israel ge-
lagert hat. Links liegt eine Oase mit Wasser und Palmen, der Moses-
brunnen genannt, weiterhin in der Ferne erblickt man das Sinaigebirge und
das Sinaikloster, und nun sind wir im weiten Roten Meer.
Da begegnet uns ein Schiff des österreichischen Lloyds. Das ist eine
befreundete Linie; höflich nimmt man gleichsam den Hut ab, indem die
Flaggen am Hintersteven gesenkt werden. Bald muß uns auch ein Schwester-
schiff unserer Linie begegnen, das aus Ostafrika zurückkehrt, wohin wir steuern.
Jetzt taucht es auf, das Fernrohr zeigt deutlich den silbergrauen Anstrich
des Schiffes und die breiten Ringe um den Schornstein in den deutschen