1873 -
Hildburghausen
: Gadow
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 10
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Als Felix eines Tages seine Heerde hütete, kam des
Weges ein Barfüßermönch, der durch den Wald einen
Wegführer begehrte. Weil es aber schlechtes Wetter
war, so sagten die andern Knaben mit ihrer gewöhn-
lichen Grobheit: „Nein, ich gehe nicht!" Da sprang
Felix hervor, grüßte freundlich und bot sich zum Weg-
weiser an.
Da der Mönch unterwegs aus den klugen Antworten
des Knaben seinen guten Verstand wahrgenommen, hat er
ihn mit sich in sein Kloster geführt und mit Bewilligung
der Eltern in seinen Orden aufgenommen.
Felix studirte jetzt fleißig, und ungeachtet er bald einer
der gelehrtesten von allen Mönchen wurde, erhob er sich
doch nicht mit Stolz, sondern blieb demüthig, höflich und
dienstfertig. Dieß machte, daß ihn Alle, die ihn kannten,
lieb gewannen, und so wurde er von einer Ehrenstelle zur
andern erwählt, bis er endlich sogar Bischof und zuletzt
Cardinal wurde. Endlich, da der Papst starb, wurde er
einhellig am 24. April 1585 zum Papst erwählt in Rom.
Und er hat unter dein Namen Sixtus V. mit großem
Ruhm regiert.
Die Bauern, welche von dem Glücke des ehemaligen
Schweinehirten hörten, kratzten sich hinter den Ohren, kratzten
aber wenig Verstand heraus, sondern blieben, was sie waren,
ungehobelt und ungeschliffen.
Diese Geschichte lehrt, wie oft ein kleiner Umstand
unser Glück machen kann, und wie die Höflichkeit das erste
Mittel ist, sich unter den Menschen beliebt zu machen.
43. Ein Rechtsfall.
In Tours hatte ein Nechtsgelehrter, Namens Ivo,
in dem Gasthause einer betagten Wittwe mehrmals Her-
berge genommen. Als er einstmals des Abends dort ein-
spricht, kommt ihm die alte Frau mit Thränen entgegen.
Sie sollte Tages darauf vor Gericht erscheinen; sie war
auf Ersatz von 1200 Ducaten verklagt, und sie fürchtete,
verurtheilt zu werden, obwohl sie nicht einen Pfennig
schuldig zu sein betheuerte. Zwei Fremde, die bei ihr
eingekehrt, hatten ihr eine Geldkiste in Verwahrung ge-
geben, sie hatte beiden versprochen, das anvertraute Gut
an keinen von beiden allein, sondern nur an beide zugleich
zurückzugeben. Wenige Tage darauf gehen beide Fremde