1873 -
Hildburghausen
: Gadow
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 10
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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80. Der sächsische Prinzenraub.
Einer von den Edelleuten, welche dem Kurfürsten
Friedrich dem Sanstmüthigen im Bruderkriege (1446 bis
1451 gegen Herzog Wilhelm Iii. den Tapfern) wichtige
Dienste geleistet und durch Unerschrockenheit und Kühn-
heit sich trefflich ausgezeichnet hatten und am kurfürst-
lichen Hofe in großem Ansehen standen, war Kunz oder
Conrad von Kaufungen, ein kurfürstlicher Kriegsoberster
und gewesener Hofmarfchall, ein Mann, dessen unter-
nehmender Geist, Verwegenheit und Ungerechtigkeit ihn
überall hin begleiteten. Er besaß in Thüringen ansehn-
liche Güter, welche ihm in dem Bruderkriege verwüstet
und durch Apel von Vitzthum weggenommen worden
waren. Der Kurfürst entschädigte ihn dafür durch einige
Güter des Apel von Vitzthum, die im Meißnischen
lagen, unter der Bedingung, daß er sie wieder abtreten
solle, sobald er die seinigen zurückerhalten würde. Diese
Bedingung ging Kunz ein und stellte selbst eine Hand-
schrift darüber aus. Der Friede kam 1451 glücklich zu
Stande und eine Bedingung desselben war, daß ein
Jeder wieder zu dem.besitze der Dörfer und Güter ge-
langen sollte, die er im bisherigen Kriege verloren hatte.
Kunz von Kaufungen wurde in seine thüringischen Güter
wieder eingesetzt, weigerte sich aber, die Vitzthum'schen
Güter im Meißnischen zurückzugeben, sondern glaubte,
sie als Belohnung seiner geleisteten Dienste behalten zu
dürfen. Als die Stadt Gera mit Sturm genommen
wurde, gerieth Kunz in Gefangenschaft und wurde nach
Böhmen abgeführt. Aus derselben mußte er sich mit 4000
Goldgülden loskaufen. Der Kurfürst suchte ihn dadurch
zu entschädigen, daß er ihm seinen rückständigen Sold
auszahlte und überdieß noch einige Güter schenkte. Kunz
konnte damit zufrieden sein und schien es auch zu sein;
denn im Grunde konnte er auf gar keinen Schadenersatz
Anspruch machen, weil er um Sold diente. Dessenunge-
achtet wollte er sich durchaus nicht dazu verstehen, die
Apel von Vitzthum'schen Güter im Meißnischen zurückzu-
gehen, und doch konnte der Kurfürst vermöge des Friedens-
schlusses sie ihm nicht lassen. Weder die Erinnerung
an sein schriftlich gegebenes Versprechen, noch die güt-
lichen Vorstellungen des Kurfürsten und das Zureden seiner
Verwandten, noch die Aussprüche der Rechtsgelehrten zu
Leipzig und Halle, Nichts konnte den Kunz von seiner