1873 -
Hildburghausen
: Gadow
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 10
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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hartnäckigen Forderung zurückbringen und seinen starren
Sinn erweichen. Der Kurfürst sah sich daher genöthigt,
sie ihm mit Gewalt zu nehmen und den Vitzthum in
seine vorigen Meißnischen Güter wieder einzusetzen. Die-
ses Verfahren erklärte Kunz für Ungerechtigkeit, und es
verdroß ihn so sehr, daß er beschloß, sich auf das Em-
pfindlichste an dem Kurfürsten zu rächen. Er kam auf
den boshaften Gedanken, seinem Landesherrn das ibm
Theuerste und Liebste, seine beiden Prinzen, zu rauben, oie
Prinzen, auf denen die ganze Hoffnung des meißnisch-
thüringischen Hauses ruhte. Dadurch hoffte Kunz zu sei-
nem Zweck zu gelangen und den Kurfürsten zu zwingen,
ihm seine unrechtmäßigen Forderungen zu bewilligen. Nie
hatte der Kurfürst geglaubt, daß Kunz, den er mit so
-viel ausgezeichneter Achtung behandelt hatte, an ihm und
seinen Kindern so grausam handeln könne. Kunz äußerte
seinen bösen Vorsatz selbst in Gegenwart des Kurfürsten,
indem er erklärte, daß er sich nicht an Land und Leuten,
sondern an des Landesherrn eigenem Leibe und Blute er-
holen würde. Der Kurfürst hielt die Ausführung einer
solchen Drohung für unmöglich und sagte bloß die Worte:
„Mein Kunz, siehe zu, daß du mir die Fische im Teiche
nicht verbrennest."
Kunz faßte indeß wirklich den boshaften Entschluß,
seines Landesherrn beide Söhne zu entführen. Er unter-
suchte zu dem Ende genau und sorgfältig alle Ein- und
Ausgänge, sowie überhaupt die Lage des Schlosses zu
Altenburg, wo der Kürfürst damals seinen Hof hatte, weil
deren Kenntniß ihm zur Vollführung seiner That nöthig
war. Zugleich verband er sich mit andern eben so bos-
haften als verwegenen Rittern, die er durch Geld und
Versprechungen gewann, und die ihm zur Ausführung
seines Vorsatzes behülflich zu sein eidlich versprechen
mußten. Die vornehmsten waren die beiden meißnischen
Ritter Wilhelm von Mosen und Wilhelm von Schönfels.
Nun fehlte es ihm noch an einem Kundschafter. Es fand
sich bald ein verschmitzter, liederlicher Bube, ein kurfürst-
licher Küchenjunge, Namens Hans Schwalbe, der Alles,
was auf dem Schlosse vorging, ausforschen und ihm da-
von Nachricht geben sollte, und der sonach einen vollkom-
menen Spion abgab. Dieser Mensch war ihm zur Aus-
führung seiner boshaften Unternehmung besonders wich-
tig. Kunz hatte sich unterdeß auf das Schloß Kohren
zu einem seiner Freunde, in der Nähe von Altenburg,
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